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Rezension "tango: Hieronymus, Vulgata"

David Mathieu, Besprechung vonBeck, Stefan (Hrsg.): Hieronymus, Vulgata (Reihe: tango ‒ Antike zum Anfassen), Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2018, 32 S.

Der Regensburger Gymnasiallehrer Dr. Stefan Beck, der auch am nunmehr beendeten Übersetzungsprojekt „Biblia sacra vulgata“ beteiligt war, präsentiert mit seiner Textauswahl aus der Vulgata des Hieronymus ein Werk, das der gymnasialen Übergangslektüre dienen will. Die Auswahl biete allgemeinbildende, einschlägige Passagen der Weltliteratur sowie Stellen, welche den Zugang zu Problemen, die in der christlichen Philosophie verhandelt werden, und deren Gegenwartsbezug ermöglichen sollen. Inwiefern die Texte für die Übergangslektüre angemessen aufbereitet sind und der existentielle Transfer gelingen kann, soll im Folgenden erörtert werden.

1. Aufbau

Auf ein Vorwort (4), in dem der Herausgeber den Inhalt der Ausgabe skizziert und Stichpunkte zur Arbeitsweise mit ihr vorlegt, folgen zunächst ein Informationstext zu Leben und Wirken des Hieronymus (5) sowie ein „Überblick über die Vulgata“ (6). Es schließt sich eine knappe tabellarische Zusammenstellung einiger wichtiger rhetorischer Stilmittel mit lateinischen Beispielen an (7). Wenn auch die besondere Wichtigkeit der aufgeführten Stilmittel für das Lateinische in der Überschrift („Wichtige rhetorische Stilmittel im Lateinischen“) betont wird, so sind diese durchaus auch sprachübergreifend relevant (Alliteration, Anapher, Antithese etc.). Nach dieser Übersicht beginnt der Hauptteil der Ausgabe mit den folgenden Lektürekapiteln (8-25):

1 Die Erschaffung der Welt I – Erde, Himmel, Meere; 2 Die Erschaffung der Welt II – Bewohner der neuen Erde; 3 Die Weihnachtsgeschichte; 4 Die Bergpredigt – das Grundsatzprogramm eines neuen Glaubens?; 5 Der verlorene Sohn, 6 Schuld und Unschuld; 7 Mensch und Staat I – Steuern für den Kaiser; 8 Mensch und Staat II – Rechtfertigung der staatlichen Ordnung; 9 Ist Glauben allein genug?

Es folgen ein Eigennamenverzeichnis (26), ein Lernwortschatz (27-30) und eine grobe schlagwortartige Übersicht über die „Entstehung und Verbreitung des frühen Christentums“ (31) anhand von historischen Ereignissen mit ihrer jeweiligen Datierung. Das Werk schließt mit einem Bildnachweis (32) und einem Literaturverzeichnis (32).

Die Lektürekapitel selbst bieten hinsichtlich ihrer Strukturierung in lehrbuchähnlicher Gestaltung jeweils zunächst Übungssätze ("GR"), in welchen stets ein den Schülern bereits bekanntes Grammatikphänomen wiederholt wird. Diesen schließt sich der zentrale Lektüretext an. Den dritten Abschnitt eines jeden Kapitels bildet der Aufgabenteil („A“), der den Schülern Impulse gibt, den vorausgehenden Text nach grammatikalischen und vor allem inhaltlichen Gesichtspunkten zu bearbeiten. Gelegentlich (Kapitel 3,6,7,9) findet sich noch ein biblischer, thematisch komplementärer „Zusatztext“ in deutscher Übersetzung.

2. Layout

Die Ausgabe weist ein schlichtes und übersichtliches Layout auf. Die zentralen Überschriften aller Kapitel sind jeweils in einem hellblauen Farbton und durch die Schriftgröße hervorgehoben.

Die Informations- und Übersichtskapitel („Hieronymus“, „Überblick über die Vulgata“) bieten jeweils einen schnörkellosen Informationstext, der im Falle des Kapitels „Hieronymus“ noch von einer dezenten Abbildung begleitet wird, die das Kapitel optisch ansprechender erscheinen lässt als das Folgekapitel "Überblick über die Vulgata".

Die Übersicht zu den Stilmitteln ist tabellarisch in drei Spalten untergliedert (siehe: „Didaktische Konzeption“).
Im Kernstück des Werkes, den Lektürekapiteln, folgt der Lektüreband insgesamt dem Zwei-Seiten-Prinzip, wobei jedes Kapitel auf einer auf einen Blick einsehbaren Doppelseite Platz findet, was der Übersichtlichkeit zuträglich ist. Die linke Seite enthält dabei jeweils die Übungssätze zur Grammatikwiederholung und den Lektüretext, auf der rechten sind die Aufgaben sowie gegebenenfalls der Zusatztext abgedruckt. Oftmals wird auch der Lektüretext auf der rechten Seite fortgeführt.

Die einzelnen Abschnitte eines Lektürekapitels sind übersichtlich voneinander abgesetzt. Die Überschriften sind farblich abgedruckt: das jeweilige Phänomen der Übungssätze zur Wiederholungsgrammatik, die Stellenangabe des zentralen Lektüretextes und gegebenenfalls die Überschrift des Zusatztextes mit ihrer Stellenangabe. Außerdem sind stets die Siglen im Aufgabenteil farblich markiert. Die farbliche Hervorhebung erfolgt auch hier in einem hellblauen Farbton. Knapp gehaltene, einführende Informationen zu den Lektüretexten sind in Kursivdruck gesetzt. In taubengrauer Schriftfarbe ist jeweils rechts neben den Lektüretexten ein adlinearer Kommentar zu finden, in welchem die lateinische Vokabel fett abgedruckt ist, die deutsche Entsprechung oder Erläuterung in gewöhnlicher Schrift.

Die Lektüretexte selbst sind in Absätze untergliedert, welche zumindest kleinere inhaltliche Einschnitte markieren und somit die Portionierung für Unterrichtsabschnitte oder Hausaufgaben erleichtern können und den Text übersichtlicher machen. Eine kolometrische Aufbereitung unterbleibt jedoch ebenso wie sonstige graphische Hilfestellungen zur Texterschließung. Die inhaltliche Vorentlastung bleibt auf die Grammatiksätze und kurze deutsche Hinführungstexte beschränkt. Weitere pre reading activities außer der Grammatikwiederholung werden nicht angeregt.

In beinahe allen Lektürekapiteln ist mindestens eine mit Legende versehene Abbildung zu finden. Diese Abbildungen wirken jedoch nie erdrückend und gestalten die Seite rein optisch auf den ersten Blick ansprechender.
„Eigennamenverzeichnis“, „Lernwortschatz“ und „Zeittafel“ sind tabellarisch in zwei Spalten gegliedert (siehe: „Didaktische Konzeption“). Der Wortschatz folgt in seiner Unterteilung den Lektürekapiteln.


3. Didaktische Konzeption

Die einführenden Informationskapitel („Hieronymus“, „Überblick über die Vulgata“) bieten knapp grundlegendes Wissen zu Autor des Lektüretextes und zum Text selbst. Allerdings finden sich hier keine Arbeitsaufträge, die die Schüler zur weiteren Reflexion über die Inhalte anregen. Das bleibt an dieser Stelle also der Lehrperson überlassen.

Die Übersichtsseite über die Stilmittel führt in der linken Spalte die Stilmittel auf, in der mittleren die entsprechenden Erklärungen und in der rechten lateinische Beispielsätze aus der Vulgata, in welchen der jeweilige Befund des Stilmittels durch Fettdruck hervorgehoben ist. Es wird also ein sinnvoller Überblick mit Anwendungsbezug hinsichtlich des Lektüretextes gegeben.

In den Lektürekapiteln legen die Einführungssätze in ihrer Knappheit den Fokus auf das zu wiederholende grammatikalische Phänomen. Inhaltlich sind sie kohärent und beziehen sich auf den jeweils folgenden Lektüretext und können somit als eine Form der Vorentlastung dienen.

Die einführenden deutschen Sätze vor den Lektüretexten geben stets eine knappe Lagebestimmung, die inhaltlich den Einstieg in den Lektüretext erleichtert. Der motivationale Gehalt steht dabei zumindest nicht im Zentrum, weshalb hinsichtlich der initialen Motivation auf das persönliche Interesse der Schüler gehofft werden muss.

Die Lektüretexte weisen dem parataktischen Stil der Vulgata entsprechend hauptsächlich übersichtliche syntaktische Konstruktionen auf, welche das inhaltliche Verständnis erleichtern und einem flüssigen Lektüreerlebnis zugutekommen. Die in den Einführungssätzen wiederholten grammatikalischen Phänomene sind eher vereinzelt zu finden. Eine signifikante Ausnahme bildet das erste Kapitel. Dort werden „Konjunktive im Hauptsatz“ mit den Schwerpunkten Jussiv und Hortativ vorentlastet, wobei der Jussiv im Lektüretext des Kapitels, dem „Schöpfungsbericht“ (Gen 1,1-1,19) eine hohe Umwälzung genießt. Der adlineare Kommentar gibt meist ein oder zwei deutsche Bedeutungen für speziellere Vokabeln an und bietet gelegentlich stattdessen Anweisungen zur selbstentdeckenden Bedeutungsfindung. So findet man beispielsweise in Kapitel 1 zur Vokabel firmamentum die Anmerkung „vgl. dt. Fremdwort“ (8) oder in Kapitel 6 zu adversum den Hinweis „entspr. contra“ (18).

Der erste Arbeitsauftrag des Aufgabenteils geht stets auf das in den Einführungssätzen wiederholte grammatikalische Phänomen ein, indem er auf mindestens eine Umwälzung im Lektüretext Bezug nimmt. Hier wird also innerhalb der Kapitel ein grammatikbezogener „roter Faden“ beibehalten, der für die Retention des wiederholten Phänomens bei den Schülern förderlich ist.

Auch die zweite Aufgabe (gelegentlich eine spätere) hat meist jeweils einen grammatikalischen Schwerpunkt, der sich jedoch fast immer (außer in Kapitel 9) von dem in dem in den Einführungssätzen („GR“) wiederholten unterscheidet, sodass die zweite Aufgabe eine Möglichkeit bietet, ein weiteres Grammatikphänomen direkt am Lektüretext aufzufrischen.

Die übrigen (und – wo diese keine Grammatikwiederholung enthält – gelegentlich auch schon die zweite) Aufgaben geben Impulse zur inhaltlichen Beschäftigung mit dem Text und fördern das Verständnis desselben, indem die Schüler interpretationspropädeutisch an zentrale Aspekte, Aussagen und Abschnitte des Textes herangeführt werden und inhaltliche Schwerpunkte setzen können.

Ein Großteil der Kapitel (Ausnahmen: 2, 3, 8) stellt zudem in einer Aufgabe einen Aktualitätsbezug her. So soll beispielsweise in Kapitel 1, welches den „Schöpfungsbericht“ (Gen 1,1-1,19) als Thema hat, in Aufgabe „A4“ nach modernen naturwissenschaftlichen Theorien der Weltentstehung recherchiert werden. Allerdings kann der Aktualitätsbezug in Kapitel 5 (Lk 15,11-32: „Der verlorene Sohn“) etwas banal und erzwungen wirken, wenn dort nach Kostenfallen für heutige Jugendliche gefragt wird. Andererseits kann diese Aufgabe auch eine erheiternde Auflockerung im Unterricht sein.

Kapitel 8 (Röm 13,1-10: Apostel Paulus über „das richtige Verhältnis der Menschen gegenüber dem Staat“) formuliert (stattdessen) einen Arbeitsauftrag, der Impulse zur fächerübergreifenden Arbeit gibt. Hier nimmt zunächst Aufgabe „A5“ Bezug auf das „Gottesgnadentum“, welches im Absolutismus mit dem im Lektüretext behandelten 13. Kapitel des Römerbriefes begründet werde. Es soll eine Recherche über die Charakteristika der Herrschaftsform erfolgen. In Aufgabe „A6“ wird eine Verbindung vom Lektüretext zur Berufung auf Gott im Krönungseid der mittelalterlichen deutschen Könige hergestellt. Ausgehend vom Text soll das Interesse der Könige an dieser Berufung erörtert werden. So ist eine fächerverbindende Brücke zum Geschichtsunterricht geschlagen.

Wo Zusatztexte auftreten, werden sie stets über eine Aufgabe mit dem Lektüretext auf inhaltlich-interpretatorischer Ebene in Verbindung gesetzt. So ist beispielsweise in Kapitel 3 der Lektüretext die Weihnachtsgeschichte nach Lukas (Lk 2,1-20), welche mit derjenigen nach Matthäus (Mt 2; gekürzt), die hier als Zusatztext in deutscher Übersetzung aufgeführt ist, verglichen werden soll.

Abbildungen werden in den meisten Fällen ebenfalls durch eine Aufgabe inhaltlich ergänzend mit dem Lektüretext verbunden. So soll zum Beispiel in Kapitel 2 die Reliefdarstellung der Schöpfungsgeschichte aus dem Ulmer Münster mit der Beschreibung im Lektüretext (Gen1,20-2,2) verglichen werden.

Das „Eigennamenverzeichnis“ führt in seiner linken Spalte die Namen in alphabetischer Reihenfolge und jeweils mit Genitiv und Genus auf, in der rechten finden sich entsprechende knappe, ein- bis zweizeilige Erläuterungen, die mit historischen Datierungen ergänzt werden, wo dies mit ausreichender Sicherheit möglich ist. Es wird also ein knapper Überblick zum schnellen Nachschlagen geboten, für erschöpfende Informationen zu den Namen müsste allerdings Sekundärliteratur konsultiert werden.

Der „Lernwortschatz“ listet jeweils lateinische Vokabeln eines Lektürekapitels in seiner linken Spalte auf. Die Vokabeln sind dabei fast ausnahmslos in der Reihenfolge geordnet, in der sie im Lektürekapitel auftreten. Der Wortschatz zu Kapitel 1 beispielsweise tanzt diesbezüglich aus der Reihe, da dort proferre aus unerfindlichem Grund zu früh in die Reihe der Vokabeln eingeordnet ist. In der rechten Spalte sind die jeweiligen deutschen Bedeutungen angeführt, allerdings fehlt ein Interlexikon, wie es in den aktuellen Lehrwerken der Spracherwerbsphase zu finden ist.

Die „Zeittafel“ behandelt den Zeitraum von der „Entstehung des Alten Testament[s]“ bis zur Erklärung des Christentums zur römischen Staatsreligion 380 n. Chr. In ihrer linken Spalte führt sie dabei die Datierungen an, in der rechten eine stichwortartige Erläuterung des jeweiligen Ereignisses oder Zeitraumes. Hier gilt wie im Eigennamenverzeichnis die gute Tauglichkeit als Übersicht, allerdings lässt die Tafel Freiraum zur Lektüre von Sekundärliteratur.

4. Fazit

Insgesamt ist die Lektüreausgabe von Stefan Beck zur Vulgata des Hieronymus aus der Reihe „tango – Antike zum Anfassen“ ein Unterrichtswerk, das bis auf kleinere Schwächen weitgehend den aktuellen didaktischen Maßstäben entspricht und sich daher gut zur Übergangslektüre eignet, wenn die Lehrkraft diese Auswahl an biblischen Texten behandeln möchte und die Lerngruppe für diese Thematik zu motivieren versteht. Wünschenswert wären noch zusätzliche übersetzungsdidaktische Impulse (etwa durch synoptische Verfahren oder Anleitung zu Dekodierungsstrategien) sowie produktive und handlungsorientierte Interpretationsaufgabenstellungen.