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Rezension "Fidus. Latein entdecken: Ein Comic"

Rezension "Fidus. Latein entdecken: ein Comic"

Luca Sattelmayer, Besprechung von: Kurth, Thomas/ Pels, Susanne/ Hartmanns, Marcus/ Erkelenz, Dirk: Fidus. Latein entdecken: Ein Comic. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, 80 S.

Um Schülerinnen und Schülern den Einstieg in die ihnen noch unbekannte Sprache Latein und die Zeit der Antike zu erleichtern, hat es sich in Schulbüchern für das erste Lernjahr eingebürgert, in den ersten Kapiteln die Rahmenhandlung einer römischen Familie aufzubauen, etwa die reale Familie des Cicero in Adeamus! Diesem bewährten Prinzip folgt auch das Heft „Fidus. Latein entdecken: Ein Comic für Einsteiger“. Die Lernenden begleiten die Familie des Hundes Fidus aus der Colonia Claudia Ara Agrippinensium, dem heutigen Köln. Fidus und die Kinder der Familie, Gaius und Aurelia, sowie der Freund Quintus bieten für die Schülerinnen und Schüler Identifikationsfiguren, die durch die Comics eine besondere Lebendigkeit besitzen. Die Handlung ist mithin originellerweise nicht in Italien, sondern in der römischen Provinz Germania inferior (Niedergermanien) angesiedelt.
Jedes der insgesamt 12 Kapitel ist nach einem ähnlichen Schema angelegt: zunächst der Comic, dann das Vocabularium, gefolgt von Grammatikabschnitten, vertiefenden Übungen und Kulturtexten.
Die Comics behandeln meist Themen, die auch aus dem Lebensalltag der Lernenden stammen könnten: die Vorbereitung eines Abendessens (S. 31f.: Flavus cenam parat ‒ In der Küche), den täglichen Schulbesuch (S. 55f.: In schola ‒ Unterricht bei Demosthenes) oder eine Geburtstagsfeier (S. 67f.: Dies natalis est ‒ Aurelia hat Geburtstag). Durch das Hervorheben von Konstanten und Abweichungen des damaligen Lebens im Vergleich zum heutigen wird einerseits eine Alteritätserfahrung generiert, andererseits ist die Distanz zur Antike weit weniger groß. Dabei sind die Zeichnungen so selbsterklärend gestaltet, dass eine Erschließung der neu zu erlernenden Vokabeln meist problemlos möglich sein sollte. So wird etwa der coquus Flavus gleich bei seiner Tätigkeit am Ofen gezeigt (S. 8). Die Comics besitzen hierbei, trotz des geringen Umfangs und der noch sehr einfach gehaltenen Sprache, eine durchaus ansprechende und kreative Handlung, die teilweise sogar mehrere Einzelcomics umfasst, etwa die Angewohnheit des Hundes Fidus, Dinge zu entwenden und zu verstecken (S. 20; 32; 42; 50f.; 61; 67). Diese sehr kindgerechten und dabei spannenden Geschichten sollten eine hohe Motivation bei den Lernenden hervorrufen. Bedauerlich ist jedoch, dass die Comics, wie das gesamte Heft, ausschließlich in schwarz-weiß gehalten sind, da eine ansprechende Farbgestaltung, auch für die zahlreichen Abbildungen, ein erheblicher Gewinn gewesen wäre.
Sämtliche neu gelernten Wörter finden sich im Vocabularium nach dem Comic, wobei sämtliche Wörter der Übersicht halber auch im Anhang in alphabetischer Reihenfolge erneut aufgeführt sind. Die Auswahl der Lernwörter beschränkt sich erfreulicherweise keineswegs auf den Bamberger Wortschatz der am häufigsten in Lektüretexten gebrauchten Vokabeln, sondern richtet sich nach der Lebenswelt der Familie, die im Heft begleitet wird. So findet man etwa die Wörter feles (S. 26), rana (S. 46) und verschiedene Speisen wie pullus oder botuli (S. 31) und Alltagsgegenstände tibia (S. 68) oder unguentum (S. 74).
Die behandelten Grammatikphänomene sind: Geschlecht (Kapitel I) und Numerus (II) der Substantive, Verben im Präsens (III), der Akkusativ im Singular (IV) und Plural (V) sowie als Richtungskasus (VI), die Adjektive der 1. und 2. Deklination (VII), die Präpositionen sowie der Ablativ Singular (VIII) und Plural (IX), der Genitiv (X), der Dativ (XI) und der Vokativ (XII). Die Lernenden beherrschen am Ende des Heftes also sämtliche Kasus in den ersten drei Deklinationen und die Verben im Präsens. Möglicherweise wäre es geschickter gewesen, zuerst die aus dem Deutschen bekannten Fälle des Genitiv und Dativ vor dem komplexeren und neuen Ablativ einzuführen. Die Einführung der neuen Grammatik erfolgt anhand von Beispielen aus dem Comic, sodass eine Verknüpfung und der Ansatz einer induktiven Grammatikeinführung gestaltet wird, die jedoch teilweise zu oberflächlich bleibt, da das neue Phänomen kaum im Text begegnet. Die Einführung der Kasus geschieht horizontal, jeder Kasus findet sich in den drei ersten Deklinationen gebündelt in einem Kapitel.
Die Übungen bilden eine Vertiefung der neu gelernten Grammatik oder Wörter und setzen auf bewährte und kindgerechte Methoden wie Kreuzworträtsel (S. 23), „Wirf den Kuckuck aus dem Nest“ (S. 34), Morphologieübungen (S. 45), Formenreihen (S. 58) oder Wortschlangen (S. 64). Besonders der Abwechslungsreichtum vermag vollkommen zu überzeugen.
Die Kulturtexte beziehen sich häufig direkt auf das Thema des Comics, etwa die römische Familie (Kapitel I: Salvete ‒ Die Familie stellt sich vor; dazu der Text auf S. 12) oder Götterkult (Kapitel X: Dies furum ‒ Fur deorum; dazu der Text auf S. 65).
Geprägt ist das gesamte Heft von einem starken Lokalkolorit der Umgebung von Köln, wie sich in einer ungeheuren Detailverliebtheit der Autoren zeigt. So verursacht in der fiktiven Geschichte Fidus den Pfotenabdruck eines Hundes in einem noch feuchten Ziegel, der in Ahrweiler gefunden wurde und im Römisch-Germanischen Museum in Köln bewundert werden kann. Auch beziehen sich viele Kulturtexte auf Funde aus den germanischen Provinzen, etwa ein Mühlebrett (S. 24) oder ein Grabrelief (S. 30).
Alles in allem haben die Autoren mit „Fidus“ eine liebevolle und motivierende Ergänzung zum regulären Unterricht im ersten Lernjahr geschaffen. Da für die Übungen auch Lösungen beigelegt sind, mag das Heft entweder als zusätzliches Lernmaterial dienen oder an Latein interessierte Schülerinnen und Schüler bereits vor der ersten Schulstunde auf kindgerechte Art und Weise an die Sprache heranführen.