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Rezension "Helenas Töchter, Frauen und Mode im frühen Griechenland"

Fabian Dix, Besprechung von: Klaus Junker, Sina Tauchert: Helenas Töchter, Frauen und Mode im frühen Griechenland; Zaberns Bildbände zur Archäologie, Sonderbände der ANTIKEN WELT; Darmstadt 2015, 136 S.


Das von Junker und Tauchert gemeinschaftlich verfasste Werk widmet sich der Kleidung der griechischen Frauen und umfasst dabei den Zeitraum von der Früharchaik bis zur Klassik. Die Besonderheit des Buches liegt laut Klappentext in der neuen Art der interdisziplinär ausgerichteten wissenschaftlichen Annäherung an die Thematik, denn diese vollzieht sich aus „ästhetikgeschichtlicher, sozialgeschichtlicher und kunsthistorisch-archäologischer Perspektive.“ Das aktuell für 29,95€ bei der wbg erhältliche Buch bietet auf 136 Seiten über 90 Abbildungen, die aufgrund des gewählten Formats (etwas größer als DIN A4) gut zur Geltung kommen. Damit sind sie auch als Vorlagen für einen bilddidaktisch sensiblen und motivierenden Einsatz zur Veranschaulichung von Texten und kulturkundlichen Inhalten im Griechisch- und Lateinunterricht geeignet.
Im Hinblick auf den gewählten Titel „Helenas Töchter“ mag das Buch wahrscheinlich auch bei Klassischen Philologen Interesse wecken, nicht zuletzt auch wegen des Untertitels „Frauen und Mode im frühen Griechenland“, schließlich sind die Forschungsansätze der Gender-Studies auch für den Erkenntnisgewinn in der Klassischen Philologie nicht uninteressant. Doch wer nun einen fortwährenden Vergleich zwischen epischen Texten und archäologischen Befunden erwartet, wird leider enttäuscht. Während Homer im ersten Drittel der Publikation noch vereinzelt zur Sprache kommt, ist die Namenspatin des Buches allerdings gegen dessen Ende gar nicht mehr präsent.
Dem Klassischen Philologen wird ebenso in den Passagen, in denen Homers Texte (in deutscher Übersetzung) vorgestellt werden, die „Gutgläubigkeit“ der beiden Verfasser auffallen, mit der das Epos als schriftlicher Beleg für die archaische Zeit herangezogen wird. Auch wenn der Schwerpunkt von „Helenas Töchter“ auf den archäologischen Untersuchen liegt, sollte zumindest am Rande vermerkt sein, dass Homers Werk ein literarisches Produkt ist, das zwar gewisse Aspekte aus der Zeit des Verfassers (vermutlich) wahrheitsgemäß wiedergibt, aber diese eben auch teilweise verfremdet. Gerade für Nicht-Philologen wäre diese Information hilfreich, zumal eine 1:1-Gleichsetzung der Figuren von Ilias und Odyssee mit den „Menschen der griechischen Frühzeit“ (S. 41) gänzlich unreflektiert bleibt. Dieses Manko scheint unverständlich, da die Autoren keine zwei Seiten später auf das Spannungsverhältnis hinweisen, das zwischen der künstlerischen Darstellung von Kleidung (also den archäologischen Befunden) und den real getragenen Gewändern vorliegt.
Da der Fokus von „Helenas Töchter“ jedoch auf der Entwicklung der Kleidung aus archäologischer Perspektive liegt, fällt die oben genannte Kritik bei der Gesamtbewertung nur wenig ins Gewicht. Das Buch ist übersichtlich in sieben Kapitel mit jeweils mehreren Unterkapiteln gegliedert: 1. Kleidung im frühen Griechenland: Wege in eine verlorene Welt (S. 6–16), 2. Homer und die Anfänge der Geschichte griechischer Kleidung (S. 17–28), 3. Kleiderkultur in früharchaischer Zeit (S. 29–49), 4. Kreative Impulse: Samos im mittleren 6. Jahrhundert v. Chr. (S. 50–61), 5. Gewand und Farbe (S. 62–77), 6. Die Akropoliskoren: Kleidung und Mode im spätarchaischen Athen (S. 78–106), 7. Klassische Eleganz: Frauenkleidung im 5. Jahrhundert v. Chr. (S. 107–126).
Die Texte zeigen ein hohes Niveau, sowohl wissenschaftlich als auch sprachlich; das Seitenlayout trägt ebenfalls zu einem angenehmen Lesen bei. Die Fußnoten befinden sich zwar am Ende des Buches, dafür sind sie aber nach Kapiteln geordnet und bieten viele Verweise auf die verwendete Forschungsliteratur und auch solche Titel, die verschiedene Themen weiter vertiefen. Alle Abbildungen – die erfreulicherweise in unmittelbarer Nähe zu den Textstellen eingefügt sind, die sich auf die Darstellungen beziehen – sind mit Legenden zu Namen, Datierung und Aufbewahrungsort des gezeigten Gegenstandes versehen sowie groß genug und in bester Auflösung präsentiert, sodass auch die kleinsten Details, auf welche der Text hinweist, problemlos erkennbar sind. Allein die Reflektionen des Kamerablitzes auf manchen Abbildungen sind störend, doch ist dies angesichts des umfangreichen Bildmaterials des Buches Jammern auf hohem Niveau.
Lobenswert ist insbesondere, dass die Autoren den „rote Faden“ der Analysen niemals aus den Augen verlieren. Immer wieder heben sie die Entwicklung hervor, welcher die Kleidung unterworfen war. Die detaillierte Beschreibung der vielen Statuen und Vasen, die oft auch um die Ausgrabungsgeschichte der Artefakte ergänzt ist, erscheint stellenweise vielleicht etwas langatmig, ist jedoch für archäologische Fachliteratur typisch und daher für den Altphilologen möglicherweise gewöhnungsbedürftig. Zur Auflockerung tragen kleine Exkurse und Randbemerkungen bei, die nicht nur die gewonnenen Erkenntnisse in Relation zu den historischen Umständen der jeweiligen Zeit setzen, sondern auch einen Vergleich mit der Moderne ziehen. Dieser Bezug verleiht dem Thema eine gewisse, auch für den altsprachlichen Unterricht wesentliche Aktualität, ebenso wie die Tatsache, dass dankenswerterweise an keiner Stelle von der „erhabenen“ griechischen Kultur gesprochen wird; der Untertitel „Frauen und Mode im frühen Griechenland“ kann somit als Versprechen gesehen werden, das die Autoren definitiv einlösen.
„Helenas Töchter“ ist trotz der erwähnten Kritikpunkte – die rein philologischer Natur sind – absolut empfehlenswert, wenn man sich mit Frauenkleidung im frühen Griechenland befassen möchte. Das Buch bietet eine ausgewogene Mischung aus Beschreibung und Interpretation der archäologischen Objekte und ermöglicht vor allem durch viele Abbildungen von nachkolorierten Statuen einen lebendigen Blick auf längst vergangene Zeiten.