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Protokoll Weiss

Protokoll über die Sitzung am 19.07.2006 von 13.15 bis 14.45

Protokollant: Dietmar Weiss

Teil 1: Referat von Bettina Probst über das Lehrwerk „Arcus“

Die Referentin berichtet zunächst Allgemeines über das Lehrwerk. Es sei im Diesterweg-Verlag, Frankfurt a.M. 1995 erschienen unter der Regie der Autoren J. Brandes, D. Gaul und J. Steinhilber und nicht in Bayern zugelassen, wohl aber in Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Thüringen in Gebrauch. Es sei für Latein als zweite Fremdsprache konzipiert und damit auf drei Jahre hin angelegt. Es sei in zwei Bücher gegliedert, deren erstes Texte und Übungen, das zweite Übersetzungshilfen, Begleitgrammatik und Lernvokabular enthalte. Zusätzlich gebe es Lehrermaterial und Software.

Es folgen Ausführungen über die methodisch-didaktische Konzeption. Sie sei dem Vorwort nach einem „modernen Lateinunterricht“ verpflichtet und baue vorwiegend auf die Originaltextmethode.

Bei insgesamt nur 35 Lektionen entfalle auf jede einzelne von ihnen sehr viel Stoff, der sich auf bis zu acht Seiten erstrecke; die Unterrichtsprogression könne daher einen schleppenden Eindruck erwecken. Form und Inhalt der Texte umfaßten eine Vielzahl von Genres, von Inschriften über Erzählungen bis hin zum Lehrgedicht. Damit werde auch denjenigen Schülern, die keinen Leistungskurs im Fach Latein belegten, die Möglichkeit eröffnet, die Bandbreite des römischen Geisteslebens zu erahnen. Grammatik und Wortschatz seien nach den Worten der Verfasser auf das Wesentliche beschränkt. Dies sei eine schlechte, weil vage Angabe, die sicher nur dies erkennen lasse, dass es keinen Anspruch auf Vollständigkeit gebe. Die Zahl der Vokabeln beliefe sich auf ca. 35x35 (also ca. 1225 lW). Der Seminarleiter merkt an, dies sei die untere Grenze dessen, was nötig sei. Dem Hinweis, dass bestehende Schulgrammatiken hinzugezogen werden könnten, sei, so die Referentin, zu entnehmen, dass die Grammatik des Lehrwerks selbst wohl nicht ausreichen dürfte. Es gebe keine Identifikationsfiguren, und die Lektionen seien voneinander unabhängig: Somit gebe es weder zusätzliche Motivationsanreize noch Spannungsbögen, die das Buch für seine kindlichen Adressaten attraktiver machten.

Viele Texterschließungsaufgaben einerseits, fehlende deutsch-lateinische Übersetzungen andererseits verdeutlichten das Ziel, mittels Textarbeit des Lateinischen mächtig zu werden. Viele farbige Abbildungen mit Informationen und Veranschaulichungen zu den Texten seien dabei als Motivantia vorhanden. Ebenso gebe es Rückgriffe auf vorhergehende Lektionen. Nach jeweils fünf bis sechs Lektionen fänden sich Paginae otiosae mit zusätzlichen Texten (vgl. die „Haltepunkte“ der FELIX-Reihen).

Es schließen sich Beobachtungen zum Aufbau der Bücher an, zunächst des Textbandes. Die große Übersicht über die Lektionen wertet die Referentin als Pluspunkt, die Karten hält sie dagegen für weniger gelungen. Die 35 Lektionen enthielten eine deutsche Hinführung zum Thema und mindestens einen, oft mehrere kleine Lektionstexte, einen Informationstext und Übungen, unter letzteren Aufgaben zur Texterschließung. Fehlende grammatische Einführungssätze verunmöglichten eine induktive Lehrmethode. In den „Paginae otiosae“ verminderten unbekannte Vokabeln den Festigungseffekt. Eine Einteilung in Sequenzen lasse sich trotz dieser Seiten nicht feststellen. Eine Zeittafel und ein alphabetisches Eigennamenverzeichnis würden geboten.

Band II biete ein Verzeichnis grammatischer Fachausdrücke. Die „Hilfen“ zu den Lektionstexten begännen unübersichtlich mitten auf einer Seite. Als Beispiel präsentiert die Referentin die Lektion XXVI: „Der Zankapfel“. Die Lernvokabeln seien mit einem Stern gekennzeichnet; diese Eigenart des Buches wird vom Seminarleiter gerügt. Zusätzliche Angaben, die man unter dem Text erwarten würde, fänden sich hier. Nur manche Vokabeln seien mit einer Zeilenangabe versehen. Die neue Grammatik werde mit Übersetzungen dargeboten, so daß der Schüler sie gar nicht aktiv anwenden müsse. Instruktionen seien sehr knapp und böten nur das Nötigste. Auch hier falle der Beginn meist in eine Seitenmitte. Das fehlende Tabellenprinzip weckt abermals die Kritik des Seminarleiters. Bis zu neun Grammatikphänomene würden so mit der horizontalen Methode dargeboten. Die Lernvokabeln würden in einem Drei-Spalten-Prinzip präsentiert: Lateinisch – Deutsch – Fremdwörter. Am Ende eines neuen Wortschatzes fände sich ein Wiederholungswortschatz. Der Seminarleiter fragt nach der Anordnung. Er sei zweispaltig, nach Wortarten gegliedert, aber innerhalb dieser Gliederung würden z.B. die Konjugationen vermischt. Diese Strukturlosigkeit wird vom Seminarleiter getadelt. Als Nachschlagewerk dienten eine Stammformenliste, ein Anhang zur Formenlehre, ein grammatisches Sachregister und ein Verzeichnis der Lernvokabeln.

Den Aufbau einer Lektion illustriert die Referentin mit der Nummer XXVI: „Der Zankapfel“. Es seien römische Ziffern für die Lektionszählung verwendet. Die Syntax der Beispiellektion umfasse „cum“ + Konjunktiv, den gen. partitivus und das Zeitverhältnis im ACI. Der Seminarleiter fragt nach einer Bewertung dieses Pensums. Aus dem Kreis der Seminarteilnehmer wird einerseits angemerkt, es sei zuviel - besonders das Nebeneinander von „cum“ und dem ACI, der ja im Deutschen mit einem Nebensatz wiedergegeben werde, sei kontraproduktiv -, andererseits und gegenteilig, drei Wochen veranschlagte Zeit seien ausreichend für den Lehrer, die beiden Phänomene im Unterricht zu trennen. Die Referentin kritisiert ein Zuwenig an Übungen und die Tatsache, dass „cum“ im Lektionstext nur zweimal vorkomme. Die Formenlehre enthalte Partizip und Infinitiv Futur, die Komparation und Substantive auf –or/-tor.

Vor dem Lektionstext gebe es eine kurze Hinführung über den Auslöser des Trojanischen Krieges. Fünf Texterschließungsaufgaben fänden sich eigenwilligerweise vor dem Text. Der Seminarleiter merkt an, daß die Präsenz des grammatischen Stoffes in der ersten Hälfte des Textes zu gering, in der zweiten besser sei, und dass die Sprachqualität zufriedenstelle. Die Seminarteilnehmer bemäkeln die Schreibweise „Iupiter“ statt „Iuppiter“. Die Referentin fährt fort mit den Abbildungen und einer folgenden Doppelseite über die römischen und griechischen Götter samt Illustrationen. Als Überleitung diene eine Rekapitulation des Lektionstextes. Der Seminarleiter bittet um eine Beurteilung der Gestaltung. Die Teilnehmer bemängeln fehlende Systematik und den schlechten Druck, der viel Raum verschenke. Die Referentin bemerkt, die abgebildeten Bronzestatuen seien eher für Museumsliebhaber als für Kinder interessant; Impulse für Jugendliche fehlten. Der Seminarleiter resümiert einen stark dozierenden, nicht kindgerechten und damit vorläufigen Stil.

Die 14 Übungen, die wiederum lateinisch-deutsche Übersetzungen böten, seien, so die Referentin, nicht ergiebig. Zudem fehlten klare Arbeitsanweisungen. Der Seminarleiter ergänzt, dass die hiesige Dialogform immerhin ein belebendes Element sei und dass die Übersetzungslastigkeit gut zur Textorientierung passe. Bei den Texten sei Bemühen um Vielfalt und Anregendes erkennbar. Es handle sich um adaptierte Originaltexte breiten Spektrums, im Falle dieser Lektion um einen Text Hygins. Es wird von den Teilnehmern gefragt, ob irgendetwas besser sei als bei den Büchern „Prima“ und „Latein mit Felix“. Die Referentin meint, die Textvielfalt.

Teil 2: Referat von Tobias Gahleitner über das Lehrwerk „Latinum B“

Der Referent beginnt mit dem Einsatzbereich dieses Lehrwerks: Es sei konzipiert für Latein als dritte Fremdsprache ab der 9. oder 11. Klasse; praktiziert werde der Unterricht mit diesem Buch aber nur außerhalb Bayerns. Innerhalb der Landesgrenzen werde es in der Erwachsenenbildung an Abendgymnasien, Volkshochschulen und Universitäten benutzt. Aus dem Teilnehmerkreis wird die Berufsoberschule ergänzt. Es handle sich um ein Elementarbuch.

Das Konzept dieses Lehrwerks sei es, innerhalb von zwei Jahren mit 28 Lektionen zur Lektürefähigkeit zu gelangen. Dies sei extrem, die grammatische Progression entsprechend schnell. Folglich würden die grammatischen Phänomene beschränkt, und zwar nach der Richtschnur der Lektürerelevanz. Das Ziel sei die passive Beherrschung der Sprache. Daher gebe es nur wenige Übungen zur Formenbildung und diese seien fakultativ. Bereits ab der zehnten Lektion werde der Übergang vom Kunstlatein zu adaptierten Originaltexten vollzogen. Der Wortschatz umfasse insgesamt nur etwa 1100 Wörter. Über das „nur“ besteht sachlich im Seminar Einigkeit . Die Bewertung dieses Umstands dagegen unterscheidet sich je nach point of view: Während von den Teilnehmern zu hören ist, dass – gemessen am Lernaufwand – diese Menge in zwei Jahren die Obergrenze der Belastung darstelle, gibt der Referent zu bedenken, dass dieser Wortschatz für die Lektüre womöglich nicht ausreiche, nur ein „Gehen auf Krücken“ ermögliche. Die Realienkunde werde gebührend berücksichtigt. Eine Eigenart des Lehrwerks sei es, die Grammatik auf den Lektionstext folgen zu lassen.

Der Referent läßt nun die Teilnehmer in einer zehnminütigen Gruppenarbeit Eindrücke über die sechste Lektion als Beispiel sammeln, um in eine Diskussion über deren Gestaltung zu gelangen. Zunächst wird der optische Eindruck besprochen. Die Teilnehmer bemerken, dass die Bilder eine dominierende Rolle spielten, wobei etwa die Fotos von Münzen eher für Rentner als für Schüler interessant seien. Dies wird teils bemäkelt, teils aber auch anerkannt, weil sich das Buch u.a. an diese Klientel richte. Es wird über ein Ornament gerätselt, das nach Auskunft des Seminarleiters nur für Spezialisten identifizierbar sei. Ein zu enger Zeilenabstand und Silbentrennung verschlechterten die Lesbarkeit. Dies wird ebenfalls einerseits bekrittelt, andererseits gewürdigt, weil es - verbunden mit einem hohen Maß an Information - wie ein „Studienführer Westtürkei“, so einer der Teilnehmer wörtlich, die Bedürfnisse einer bestimmten Leserschaft erfülle. Der Referent fügt hinzu, dass der Sachteil einen hohen Stellenwert genieße. Der Seminarleiter ergänzt, dass dies jedoch nicht für jede Lektion gelte, da es darüber hinaus auch Lektionen ohne Bilder gebe. Er sieht in dem Lehrwerk insgesamt zu wenig sprachlichen Stoff für den Erwerb des Latinums im Zuge eines Universitätsstudiums. Aus dem Teilnehmerkreis wird als Gegenbeispiel ein Nachhilfeschüler genannt, der mit eben diesem Buch die Latinumsprüfung bestanden habe.

Bezüglich des Themen- und Textangebots wird vonseiten der Teilnehmer für die Beispiellektion ein typischer Lehrbuchtext konstatiert, der sprachlich gewisse Junkturen offeriere, die für das Lateinische bezeichnend seien. Der Referent ergänzt, dass in dem in vier Abschnitte sich gliedernden Text der Schluss offen sei. In den Übungen gebe es jedoch keine Fortführung. Gleichwohl sei die Texterschließung das Thema des sich an den Text anschließenden Übungsteils.

Betreffs der Grammatik bezeichnet der Referent die Einführung des ACI als induktiv und gut gelungen. Die Induktivität wird aus dem Teilnehmerkreis bestritten, da die Übersetzungen angegeben seien; schließlich wird in einer Art Kompromiß die Methode als „induktiv-präskriptiv“ bezeichnet. Der Referent weist als besondere Schwachstelle der Lektion die Übung B5 aus, in der die gesamte Deklination von „homo“ verlangt werde, obgleich bis dato lediglich der Nominativ und der Genitiv bekannt seien: Eine Begleitgrammatik sei hier zur Lösung der Aufgabe unabdingbar, aber wohl nicht vorhanden, da es sich bei „Latinum B“ um ein Elementarbuch handle. Auf eine Verteilung der Formen werde kein Wert gelegt, die Konjugationen befänden sich alle innerhalb einer einzigen Lektion; auf eine Wiederholung werde verzichtet. Beim Erlernen der Verbflexion sei die Vorgehensweise radikal horizontal. Eine Besonderheit stelle die Integrierung des Grammatikteils in die Lektion dar, die zwar einerseits den Stoff gut mit dem Lektionstext verbinde, aber andererseits ein Nachschlagen erschwere.

Der Wortschatz bestehe insgesamt aus etwa 900 Lernwörtern und werde durch ca. 200 Zusatzvokabeln ergänzt, die graphisch eingerückt und in Kursivdruck dargestellt seien. Für einen folgenden Lektüreunterricht sei das zu wenig. Hinweise zur Ableitung in moderne Fremdsprachen fänden sich jeweils am Ende eines Wortschatzes. Die Abfolge der Wörter richte sich teils nach wortkundlichen, teils nach chronologischen Bedürfnissen; diese Mischung sei gelungen und stelle ein Plus dieses Lehrwerks dar. Die zu lernenden Wortbedeutungen ließen dagegen zu wünschen übrig: So lasse sich die räumliche und temporale Dimension von „ab“ nicht erahnen, wenn lediglich „von“ angegeben sei, und das Bedeutungsspektrum von „manus“ schwerlich verstehend lernen, wenn die graphische Darstellung strikt in „1.“ und „2.“ trenne. Unregelmäßige Verben würden zu Beginn eines Wortschatzes wiederholt.

Der Sach- und Informationsteil bilde den Beginn einer Lektion in Form einer kurzen Hinführung zum Lektionstext und oft den Abschluß derselben mit einem teils ganzseitigen Sachtext; dadurch wirke er dominierend. Die Texte selbst seien gelungen, da sie sachlich richtig, leicht verständlich und nicht mit Informationen überfrachtet seien. Auch die Bilder seien gut, da sie einen Bezug zum Text hätten, doch fehle eine entdeckende oder sonst spezifisch angeleitete Bildarbeit, wie sie gerade für den Bereich der Erwachsenenbildung naheliege.

Der Referent nennt resümierend als Pluspunkte, deren Übernahme in ein „ideales Lehrbuch“ lohnend schienen, die Kompaktheit des Grammatikkurses, die gut verständliche kleinschrittige Einführung der grammatischen Phänomene sowie die Texterschließungsfragen.