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Residenz und Oper

Stefan Sotier

 

Die Münchner Residenz

Residenzstadt wurde München 1255, als Herzog Ludwig der Strenge seine Hofhaltung von Landshut nach München verlegte und infolge dessen den ‚Alten Hof‘ an der Nordostecke des damaligen Mauerrings ausbaute. Die Geschichte der Münchner Residenz beginnt 1385 mit der Errichtung der ‚Neuveste‘ unter Herzog Stephan III, dem Kneissl. Sie wurde als Fluchtburg mit Wehranlagen angelegt und mit einem Wassergraben umgeben. Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts erfolgte der Ausbau der ‚Neuveste‘, die allmählich in den sukkzessiven Überbauungen der folgenden Jahrhunderte aufging. Besonders viel gebaut wurde unter Maximilian I., dem späteren Kurfürsten. Unter seiner Herrschaft entstanden vor allem die Gebäude um den sogenannten Kaiserhof, der große Hirschgang, der Residenzturm und die Westfassade. Die Residenz wurde mehrfach von Bränden beschädigt. Kein Ereignis hat sie jedoch nachhaltiger zerstört als der zweite Weltkrieg. Glücklicherweise wurde der Gedanke eines völligen Abrisses, mit dem man sich bereits trug, wieder fallengelassen. In den Jahrzehnten nach dem Krieg wurde sie dann in mühsamer Kleinarbeit wiedererrichtet.

 

Die Westfassade

Beschreibung: Die Westfassade der Münchner Residenz ließ der Kurfürst Maximilian I. 1611-1616 an der damaligen Schwabinger Gasse (heutige Residenzstrasse) anlegen. Sie wurde teils neu errichtet, teils bereits bestehenden Bauteilen vorgeblendet. Maximilian nutzte diese damals als einzige öffentlich zugängliche Seite der Residenz als Schaufassade: Mit Hilfe von Inschriften und Bronzeplastiken wird dort ein ganzes politisches Programm entwickelt. Die Architekturgliederung ist nur aufgemalt und wurde mehrfach erneuert, zuletzt, vereinfacht, nach dem Krieg. Sie fasst die Fenster zu zwei Geschossen zusammen: Das Erdgeschoß wird durch rustizierte dorische Pilaster gegliedert, Haupt- und Obergeschoß durch korinthische Pilaster zusammengefasst. Außerdem ist die Fassade durch plastische Einheiten gegliedert: In der Mitte befindet sich eine Pilasterädikula (Pfeiler mit Nische) mit der Statue der Jungfrau Maria, unter ihr das ewige Licht, oberhalb der Statue eine von zwei Putti flankierte Schrifttafel mit der Weihinschrift. Rechts und links davon befinden sich in gleichem Abstand zwei rustizierte Portale aus Rotmarmor mit den Bronzeplastiken, die die  vier weltlichen Kardinaltugenden darstellen: Weisheit und Gerechtigkeit auf dem linken, Tapferkeit und Mäßigung auf dem rechten Portal. Flankiert werden die Portale von je zwei schildhaltenden Löwen. Die Embleme und Inschriften auf diesen Schilden sind den einzelnen Tugenden zugeordnet. Oberhalb der Giebel befindet sich das Monogramm Maximilians und seiner ersten Gemahlin Elisabeth von Lothringen, über den seitlichen Durchgängen der Portale die von Löwen bzw. Greifen gehaltenen Wappen Bayerns bzw. Lothringens.

Die Künstler:

Maßgeblich beteiligt an der künstlerischen Gestaltung der Fassade war der aus Weilheim stammende Hans Krumper, der sich als Bildhauer seit 1606 im Dienste Maximilians befand. Von ihm stammt die Statue der "Patrona Boiariae" (1614), die , 1615 von Bartholomäus Wenglein gegossen und von dem Goldschmied Georg Mair ziseliert, im Zentrum der Fassade aufgestellt und 1616 eingeweiht wurde. Dargestellt ist sie als Himmelskönigin: mit fürstlichem Gewand, Szepter, den rechten Fuß auf die Mondsichel gesetzt, auf dem rechten Arm das Jesuskind mit dem Reichsapfel haltend. Die (heute nicht mehr erhaltenen) Putti mit der Schrifttafel sind ebenfalls das Werk Krumpers, auch sie wurden von Wenglein gegossen und von Mair ziseliert. Die heutige Gruppe ist eine Rekonstruktion von Franz Lorch, nachdem die Originale im letzten Krieg heruntergefallen und seitdem verschollen sind. Mit großer Wahrscheinlichkeit stammen auch die Liegefiguren der Tugenden auf den Portalgiebeln von Krumper. Die Löwen, die ursprünglich für das Grabmal Wilhelm V. bestimmt waren stammen wohl von Hubert Gerhard oder Carlo Pallago, denen die Ausführung der Grabmalsbronzen oblag. Da das Projekt nicht realisiert wurde, nutzte Maximilian die Löwen zunächst provisorisch als Brunnenfiguren im Hofgarten. 1616 wurden sie dann zu seiten der Portale aufgestellt, ihre Wappenschilde ersetzte man durch emblematische Reliefs mit Inschriften, die sich auf die darüberliegenden Tugenden beziehen.

 

Die Inschriften und ihre Bedeutung:

Zu den Bronzeplastiken als Träger programmatischer Aussagen treten verdeutlichend Inschriften hinzu. Diese befinden sich

1. in der Mitte (der Marienstatue zugeordnet) und

2. an den beiden Portalen (den Tugenden zugeordnet):

 

1.: Auf der Schrifttafel über dem Standbild steht:

SVB TVVM PRAE

SIDIVM CONFVGIMVS

SVB QVO SECVRE

LAETIQVE DEGI

MVS

Unter deinen Schutz

begeben wir uns,

unter dem wir sorglos

und fröhlich

leben.

 

Darunter das Jahr der Einweihung:
M.DC.XVI 1616

 

Unter dem Standbild:
PATRONA BOIARIAE Schutzherrin Bayerns

 

2.: Weitere Inschriften finden sich im Bereich der Portale:

 

Auf den Giebeln die Namen der vier Tugenden:

 

Linkes Portal:
PRVDENTIA – IVSTITIA Klugheit – Gerechtigkeit

 

Rechtes Portal:
FORTITVDO – TEMPERANTIA Tapferkeit - Mäßigung

 

Darunter, auf Emblemen, die zu den einzelnen Tugenden gehören:

 

Zur Prudentia:

QVA SIDERE QVA SIDERITE

Mit ihr (der Weisheit) als Leitstern, mit ihr als Magnetnadel.

 

Zur Iustitia:
SVPERA SIMVL ET INFERA

Das Höhere ebenso wie das Niedere.

 

Zur Fortitudo:
DIFFRACTAS LONGE REMITTIT

Die gebrochenen (erg. Wellen) wirft er (der Stein auf dem Emblem) weit zurück.

 

Zur Temperantia:
TEMPERATO PONDERIBVS MOTV

Mit einer durch die Gewichte maßvoll geregelten Bewegung.


 

Literatur:

  • Wittelsbach und Bayern II,1. Um Glauben und Reich. Kurfürst Maximilian I. Beiträge zur Bayerischen Geschichte und Kunst 1573-1657. Katalog der Ausstellung in der Residenz in München 12. Juni – 5. Oktober. Hrsg.v.Hubert Glaser, Hirmer – Verl. München, R.Piper&Co.Verl. Mü./Zürich;
  • Wittelsbach und Bayern II,2. Um Glauben und Reich. Kurfürst Maximilian I. Katalog der Ausstellung in der Residenz in München 12. Juni – 5. Oktober. Hrsg.v.Hubert Glaser, Hirmer – Verl. München, R.Piper&Co.Verl. Mü./Zürich;
  • Residenz München, Amtlicher Führer; Bearb.v.Herbert Brunner (u.a.). Bayer.Verwaltung der staatl.Schlösser, Gärten und Seen, München 1996;
  • Diemer, Dorothea: Bronzeplastik um 1600 in München. Neue Quellen und Forschungen. In: Jb des Zentralinstituts für Kunstgeschichte 2, 1986 u. 3,1987;

 

Die Oper (Nationaltheater)

 

Auch an der Oper befindet sich eine wenn auch kurze lateinische Inschrift. Sie ist weithin sichtbar in goldenen Lettern unter dem unteren Giebelfeld angebracht und lautet:

APOLLINI MVSISQVE REDDITVM MCMLXIII

An Apoll und die Musen zurückgegeben im Jahre 1963

 

 

Kurze Baugeschichte:

Das Nationaltheater in seiner heutigen Form geht im wesentlichen auf Entwürfe Karl von Fischers zurück. Bereits unter Kurfürst Karl Theodor gab es Neubaupläne für ein Theater, welches das von Schinnagl 1651 eingerichtete Opernhaus am Salvatorplatz ersetzen sollte. Dieses war wegen Baufälligkeit 1799 geschlossen und 1802 abgerissen worden. Um so dringender wurde es, für Ersatz zu sorgen. Es gab verschiedene Entwürfe u.a. von Quaglio d.Älteren, Thurn, Herigoyen und Karl von Fischer. Dieser erhielt schließlich für sein Projekt den Bauauftrag. Die Grundsteinlegung erfolgte am 12.10.1811. Geldknappheit ließ den Bau nur langsam fortschreiten. Die Eröffnung erfolgte genau sieben Jahre später am 12.10.1818. Doch bevor der Bau endgültig fertiggestellt war, wurde er durch Brand zerstört. Man machte sich sofort an den originalgetreuen Wiederaufbau unter Klenzes Leitung. Dabei wurden einige Änderungen vorgenommen: Man verzichtete auf die Flügelbauten, und das Walmdach wurde durch einen zweiten Giebel ersetzt. Auch der (von K.v.Fischer bereits geplante) Portikus mit den acht korinthischen Säulen auf der erhöhten Freitreppe entstand erst unter Klenzes Leitung. Im zweiten Weltkrieg teilte das Nationaltheater das gemeinsame Los der Residenz: Es wurde bis auf die Außenmauern zerstört. Nachdem ein 1954 ausgeschriebener Wettbewerb für einen zeitgemäßen Wiederaufbau ergebnislos geblieben war (Gott sei Dank!), ging man an die weitgehende Rekonstruktion des historischen Außenbaus und der Innenräume (1958-63). Der Giebel-Portikus mit den acht korinthischen Säulen steht vor einer 9-achsigen Hauptfassade, die noch von Eckpilastern verstärkt wird. Das Erdgeschoß ist rustiziert, das Obergeschoß glatt gehalten. Die Giebeldarstellungen: Anstatt des ursprünglich vorgesehenen plastischen Schmucks wurden die Darstellungen zuerst nach Entwürfen von L.Schwanthaler in Enkaustikmalerei ausgeführt. Die Motive: Im oberen Giebelfeld Pegasus und die Horen, im unteren Apoll und die neun Musen. Beide Giebelfeldmalereien wurden 1894 durch Glasmosaiken ersetzt. Die endgültige plastische Ausführung von Apoll und den Musen stammt von Brenninger aus d. Jahre 1972, die Figuren erscheinen roh und wenig weiblich.