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Mariensäule

Judith Strobl und Volker Berchtold

 

1. Die Geschichte des Marienplatzes

Während die Mariensäule erst am 7. November 1638 eingeweiht wurde, geht die Geschichte des Marienplatzes bis auf die Stadtgründung Münchens (1158) zurück. Der "Marienplatz", ehemals Schrannenplatz, war Handelszentrum der Stadt, aber auch Ort für Repräsentationen der Herzöge. Seinen heutigen Namen erhielt er erst 1854 mit der Verlegung der Schranne.

Die Mariensäule versinnbildlicht eindrucksvoll die Verbindung von Religion und Politik auf diesem Platz: Ihre Errichtung ist einem Gelübde von Kurfürst Maximilian I. zu verdanken, der während des Schwedeneinfalls im Dreißigjährigen Krieg (1632) ein gottgefälliges Werk versprochen hatte, wenn ihm seine Städte, München und Landshut, verschont blieben. Gustav Adolf, der Schwedenkönig, hatte am 17. Mai 1632 seinen Einzug in der Stadt gehalten. Man sagte ihm 300 000 Reichstaler zu als Ablöse für die Verschonung Münchens. Da man die Summe bis zu dem vereinbarten Termin nicht ganz aufbrachte, mußten 42 Geiseln als Bürgen mit dem abziehenden Gustav Adolf mitgehen.

Zudem wurde München im Jahre 1635 von der Pest heimgesucht. Als Maximilian kurz darauf von seinem Hoflager in Braunau / Inn zurückkehrte, tat er seine Absicht in einem Schreiben kund, hier auf dem Platz ein Monument errichten zu wollen. Im Jahre 1637 nahm das Vorhaben, vielleicht auf Initiative des Jesuitendichters Jakob Balde hin, Gestalt an, als der Kurfürst an den Bürgermeister schrieb, daß das Bauwerk ein Bildnis der hl. Maria tragen solle. Am Jahrestag des Prager Sieges (7. November 1638) wurde die Säule schließlich feierlich eingeweiht zum Dank für die Erhaltung der Stadt München und ihre göttliche Errettung aus der drohenden Fremdherrschaft.


 

2. Die Inschriften an der Mariensäule

 

2.1 Die ursprüngl. und heutige Inschrift

 

Ost-Seite: Übersetzung


DEO OPTIMO MAXIMO

VIRGINI DEIPARAE

BOICAE DOMINAE

BENIGNISSIMAE

PROTECTRICI

POTENTISSIMAE

OB PATRIAM5

VRBES EXERCITVS

SEIPSVM DOMVM

ET SPES SVAS

SERVATAS

Dem gütigsten größten Gott,

der jungfräulichen Gottesgebärerin,

Bayerns gütigster

Herrin,

mächtigster

Beschützerin,

hat für die Bewahrung der Heimat,

der Städte, der Heere,

seiner selbst, seines Hauses

und seiner Hoffnungen

 

West-Seite:


HOC PERENNE

AD POSTEROS

MONVMENTVM

MAXIMILIANVS

COM. PAL. RHENI

VTRIVSQVE BAVARIAE DVX

S.R.I. ARCHIDAP.

ET ELECTOR

CLIENTVM INFIMVS

GRATVS SVPPLEX

POSVIT A. MDCXXXIIX

dieses

bei den Nachkommen

bleibende Denkmal

Maximilian,

Pfalzgraf bei Rhein,

Herzog beider Bayern,

des Hl. Römischen Reiches Erztruchseß

und Kurfürst,

der niederste unter ihren Schutzbefohlenen,

dankbar und kniefällig

errichtet im Jahre 1638

 

2.2. Die Inschrift, die sich von 1781 (?) bis 1968 an der Säule befand

 

Ost-Seite:


REX REGNUM

REGIMEN REGIO

RELIGIO

RESTAURATA SUNT

SUB TUO PRAESIDIO

König, Königreich,

Herrschaft, Herrschaftsgebiet

und Religion

sind wiederhergestellt worden

unter Deinem Schutz.

 

West-Seite:


IN HONOREM

B(eatae) VIRGINIS MARIAE

ERECTA HAEC COLUMNA

IUSSU

MAXIMILIANI

UTRIUSQ(ue) BAVARIAE DUCIS

S. R. I. ARCHIDAP.

ET ELECTORIS

BENEDICENTE

EPISCOPO FRISINGENSI

MDCXXXVIII

Zur Ehre

der Heiligen Jungfrau Maria

wurde diese Säule errichtet

auf Geheiß

Maximilians,

des Herzogs beider Bayern,

 des Hl. Röm. Reiches Erztruchsessen

und Kurfürsten

und gesegnet

vom Freisinger Bischof

(im Jahre) 1638


 

3. Jakob Balde: Ode über die Enthüllung der Mariensäule

 

Lyrica 2,26 Ad S.P.Q.M.

 

(1)



Videtis? vt se nubila diuidunt!

Quamuis aquosam euoluere fasciam

Minentur austri; mitigato

Pura tamen subit aura caelo.


Io! reuulsis soluite vinculis,

Captiva, Ciues, soluite gaudia:

Et magnus, & Maior Sacerdos,

Et Proceres bona verba dicant.


Haec DIVA, vestri Gloria PRINCIPIS,

Posthac & Vrbem, & TEMPLA tuebitur;

Quae nuper Arctoum dicatis

Depulit à Laribus tyrannum.


Infusa postquam Balthis inhorruit,

Ac se minacem miscuit Isarae:

Heu! turbulentis Boia latè

Fluctibus insonuere saxa;


Totòque Mauors intonuit Foro.

Num sera credet Posteritas, locum,

Quo stamus, impleuisse Suecos?

Hîc epulans vlulauit Hunnus:


Hic fulgurabant arma PANERII.

Hoc castra cliuo fixerat HORNIVS.

Et solis HEBRONVS sub ortum

Bistonias agitauit hastas.


Rex ipse fictum risit, & aureos

Sparsit dolosa per populos manu

GVSTAVVS imbreis: corda veris

Callidus exonerare monstris,


Terrere vanis; dum placidé iubet,

Ludénsque saevit: non tamen exule

Peior Palatino. favillae

Et cineri Niger ille totam


Deuouit Vrbem. ter penetralibus

Suppostus Aulae, ter refugus nefas

Elusit ignis; terque cassam

Fleuit atrox FRIDERICVS iram:

(1)

Ihr seht, wie sich das dunkle Gewölk zerteilt?

Mag auch der Wind das wässrige Wolkenband

   bedrohlich näherwälzen, folgt doch

        heitere Luft und ein milder Himmel.


Zerreißt die Ketten, sprenget die Bande nun,

ihr Bürger, löst die Fesseln des Freudenfests!

   Ihr hohen und ihr höchsten Priester,

        Männer von Adel, verkündet Gutes!


Hier diese Göttin, eueres Fürsten Ruhm,

die eure Stadt, die Tempel beschützen wird,

   vertrieb den nordischen Tyrannen

        von den gesegneten Heiligtümern.


Als sich der Ostsee rauschende Flut ergoß

und drohend sich vermischte dem Isarstrom,

   da brausten weithin Bayerns Berge

        stürmisch umtost in den wilden Fluten,


und auf dem Marktplatz donnerte laut der Krieg.

Glaubt denn die späte Nachkommenschaft, daß hier,

   wo wir nun stehn, die Schweden hausten?

        Hier hat der Hunne geheult beim Schmausen;


hier blitzten Banners leuchtende Waffen auf;

hier schlug sein Lager Hornius auf, am Hang.

   Bei Sonnenaufgang hatte Hebron

        thrakische Lanzen voll Wut geschleudert.


Und Gustav Adolf, heuchlerisch lachte er,

goß Gold aufs Volk mit tückischer Hand herab,

   und schlau entriß er unsern Herzen

        all die gewaltigen wahren Wunder,


erschreckte uns mit Nichtigem, während er

in Sanftmut herrscht, im Spiel aber tobt; doch er

   ist schlechter nicht als der verbannte

        Pfälzer; in Asche und Rauch, so wünscht er,


versinke unsre Stadt; in das Innere

der Burg gelegt, dreimal, von der Freveltat

    wich scheu zurück das Feuer, dreimal

        weinte vergeblich im Zorne Friedrich.

(10)

Auferte Fatum: nec leue garrula

Fortuna nomen jactet. ab aethere

Refulsit improuisa virtus.

Virgo faces Nasarena, Virgo


Auertit enseis, Virginis est opus.

Virgo canatur, dicite Virginem

Nuptaeque, & innuptae puellae:

Et patrium geminate carmen.


Salue cruentis aspera Regibus,

Clemens benignis. tu mihi carior

Faustina, Castrorum iamque Mater.

En, Pario tibi caesus altam


De monte (supplex obsequium DVCIS)

Erexit Aram: nec Latijs minor,

In astra consurgens ab imo,

Grandè secat OBELISCVS auras.


Stas leue supra marmor, in aureo

Fulgore vestis crine humeri latent:

Caput coronatum triumphat.

Luna pedes subiecta lambit.


AVRORA MVNDI, prospicis alteram

Mundi minorem. SOL Puer insidet

Vlnis, renidenteísque blando

Ore tibi radios propinat.


Huc aduolantum exercitus ignium,

Formosa noctu deferet oscula.

Sedem fatigatis quietam

Sideribus dabit vna ceruix.


Huc & tabellas (auguror) aeneas,

Cerámque vulgus ponere gestiet:

Taedásque lucenteis vouebit

Turba sacri studiosa vultûs.


Tunc prona curuo poplite Ciuitas,

Emissa tectis ad sonitum tubae

Sternetur, & clamore summas

Laeta fremet feriente nubeis.

(10)

Vertreibt das Schicksal, und die geschwätzige

Fortuna schweige still; überraschend kam

   die Kraft vom Himmel, hell erstrahlend,

        Fackeln und Schwerter vertrieb die Jungfrau


von Nazareth; Maria vollbrachte es.

Lobpreist sie, singt, ihr Mädchen und auch ihr Frau'n,

   das Lied ertöne ihr zu Ehren

        wieder und wieder, das Lied des Landes.


Gegrüßt seist du, die grausamen Herrschern nichts,

und milden alles schenkt, doch besonders lieb

   ist deine Huld uns, Heeres-Mutter.

        Siehe, aus parischem Berg geschnitten


erhebt sich der Altar (im Gebet geweiht

vom Fürsten), und, nicht kleiner als römische,

   erklimmt der Obelisk die Sterne,

        schneidet erhaben die hohen Lüfte.


Du stehst auf Marmor, golden erglänzt dein Kleid,

o Gnadenreiche; über die Schultern wallt

   dein Haar, dein Haupt trägt stolz die Krone,

        und an den Füßen berührt der Mond dich.


Du Morgenlicht der Welt, deine Augen sehn

das Morgenrot. Die Sonne, dein Knabe, ruht

     in deinem Arm, sein holdes Antlitz

          spiegelt die Strahlen zurück der Mutter.


Die Himmelsfeuer werden des Nachts zu dir

mit schönen Küssen fliegen, in großer Schar,

   und den erschöpften Sternen wird ein

        einziger Nacken Erquickung bieten.


Das Volk wird hierher eherne Täfelchen

und Wachs (ich ahn es) bringen zum Danke dir

   und helle Fackeln dir geloben,

        deinem geheiligten Blick ergeben.


Dann wird beim Klang der Hörner die Bürgerschaft

aus ihren Häusern gehn, mit geneigtem Knie

   zu Boden sinken und mit Jubel

        - bis zu den Wolken erschallt er - jauchzen.

Übersetzung: F. P. Waiblinger, in: von Schirnding, Albert (Hg.): Reise Textbuch München, München (dtv) 1988, 25-27.


 

4. Die vier Putti

 

SUPER ASPIDEM ET BASILISCUM AMBULABIS ET LEONEM ET DRACONEM CONCALCABIS. Über die Schlange und den Basilisken wirst du schreiten und den Löwen und den Drachen wirst Du zertreten.

Die vier Ungeheuer sind Symbole für die Übel, die die Menschheit heimsuchen. Der Drache steht als Symbol für den Hunger, der Löwe als Symbol für den Krieg, der Basilisk als Symbol für die Pest und die Schlange symbolisiert Unglaube oder Häresie. Der Psalm wurde durch die Schriftauslegung auf Maria bezogen: Maria wird die Menschen von diesen Übeln erretten.


 

5. Literatur:

  • Meyer, J. M.: Münchner Stadtbuch. Geschichtliche Bilder aus dem alten München, München 1868.
  • Beitinger, W.: Jakob Balde, eine Würdigung seines Gesamtwerks, in: Neuburger Kollektaneenblatt 121, 1968, 5-114.
  • Dirrigl, M.: Jakob Balde, in: Residenz der Musen - München, Magnet für Musiker, Dichter und Denker, München 1968.
  • Schattenhofer, M.: Die Mariensäule in München, Große Kunstführer 61, München/Zürich 1970.
  • Schirnding, A. von (Hg.): Reise Textbuch München, München, 1988.
  • Stroh, W.: An Senat und Volk von München, Die Münchener Mariensäule und ihr Dichter Balde, in: Literatur in Bayern 11, März 1988, 2-13.
  • Stroh, W.: Zerbrich das Saitenspiel, Die Lebensgeschichte des Jacobus Balde S.J. (1604-1668) nach dem Neuburger Nekrolog, in Literatur in Bayern 11, März 1988, 9-13.
  • Kemp, F. / Stroh, W.: Jacob Balde, in: Kindlers Neues Literaturlexikon, Bd. 2, München 1989.
  • Lokalhistorische Texte München/Tegernsee, ausgewählt und Kommentiert von Wendelin E. Seitz und Hubert Brumberger, Lindauers Lateinische Quellen, München 1990.
  • Störmer, B./ Störmer, W.: Der Marienplatz, München 1990.
  • Scholz, f.: Der Münchner Marienplatz im Wandel der Jahrhunderte. Zeugnisse der Vergangenheit im Münchner Stadtmuseum und in der Münchner Innenstadt, MPZ (Museumspädagogisches Zentrum München) 1992.
  • Tipton, S.: Super aspidem et basiliscum ambulabis - Zur Entstehung der Mariensäulen im 17. Jh., in: Religion & Religiosität im Zeitalter des Barock, Bremer, D. (Hrsg.), Wiesbaden 1995.