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Buchtipp: Antike Aktuell 2022/3

Buchtipp der Lateindidaktik der LMU München: Antike Aktuell

Viermal im Jahr veröffentlicht der Lateindidaktik Lehrstuhl von Prof. Dr. Markus Janka herausragende Buchtipps zum Thema „Antike Aktuell“ im Rahmen des Projekts „Past for the Present“ in Kooperation mit Dr. Michael Stierstorfer (Gymnasium der Benediktiner Schäftlarn). Der oder die jeweils ausgewählten Titel eignen sich auch besonders für eine pädagogisch-didaktische Vermittlung in Bildungs- und Schulkontexten:

Antike-Aktuell-Buchtipps für das Quartal 3/22:

THiLO (Text) und Max Meinzold (Illustrationen): Die fliegende Schule der Abenteurer. Die Maske der Medusa, Coppenrath: Münster 2022, 171 S., 14,00 €, ISBN: 9783-649-640-998.

Die fliegende Schule der Abenteurer

© Coppenrath / Meinzold

Percy Jackson meets Die drei ??? – Mit diesen Schlagworten lässt sich dieser vierte Band „Die fliegende Schule der Abenteurer. Die Maske der Medusa“ genauer charakterisieren. Bei diesem epigonalen Werk kommen Mythenfans dennoch auf ihre Kosten, da sie mehr als nur einen lauwarmen Mythen-Aufguss serviert bekommen.

In dieser Episode reisen die abenteuerlustigen Schülerinnen und Schüler mit ihrem Erdkundelehrer McFinnegan nach Kreta. Dort sind nämlich angeblich archäologische Funde entdeckt worden, die im Gegensatz zu den bisherigen Erkenntnissen darauf hinweisen, dass die Stadt Troja auf dieser Insel gelegen sein soll. So besuchen die Schülerinnen und Schüler der ACE (= Adventure Club of Europe), unter ihnen der kluge Oliver Sneyder, die tierliebe Oni Amaka, die sportliche Belle Pompadour und der gerissene Connor Blaze, die archäologische Stätte. Dort treffen sie auf die führende Archäologin Dr. Mendoza, die die Protagonisten in das Setting einführt. Nach einem heftigen Seesturm, den der wilde Poseidon ausgelöst hat, flieht das Team auf ihre Bireme, ihr Ruderschiff mit zwei Reihen. Sodann lässt sie der ,epische‘ Seeturm auf einer mythischen Insel stranden, wo sie einigen Fabelwesen aus der griechisch-römischen Mythologie und auch sich selbst helfen.

Dieser Sagenremix, der die Welt der Schule mit Hybridwesen in Verbindung bringt – die Mythenwelle lässt grüßen (vgl. dazu Janka und Stierstorfer 2017 und Stierstorfer 2017) – integriert in den Plot einerseits die titelgebende Maske der Medusa, die hier eine mächtige Waffe ist, die der Meeresgott Poseidon geschaffen hat. So wird der vorschnelle Connnor, als er diese betrachtet, prompt versteinert. Um ihn zu retten, nimmt Oni, die auch Sprachen von Fabelwesen versteht, Kontakt mit den mythologischen Einwohnern der magischen Insel, auf der sie gestrandet sind, auf. In diesem Kontext tauchen andererseits ein Kentaur, eine Hydra, eine Chimäre, ein Pegasus und eine Sphinx auf. Alle diese Fabelwesen haben ihren jeweiligen Partner durch Versteinerung verloren, weil sie ebenso leichtfertig die Maske der Medusa von Angesicht zu Angesicht betrachtet haben. Um Connor und die anderen versteinerten Wesen zu retten, begeben sich die Freunde auf eine Odyssee auf hohe See – ganz nach dem Vorbild von Percy Jackson. Im Bann des Zyklopen (2006) – und erkunden dort nicht nur die Einsiedelei des Geistes der verfluchten Kassandra, sondern lösen dabei auch noch so manches spannendes Mysterium zum Miträtseln. Dabei müssen sie stets auf der Hut vor der mafiahaften Verbrecherorganisation BONE sein, die den Abenteuerern stets auf den Fersen ist, um ihnen die wertvollen Artefakte zu entwenden. Als großes Ziel müssen die Hauptfiguren nicht nur den verschollenen Tempel des Poseidon ausfindig machen, sondern auch einige Prophezeiungen deuten. Das mythologische Figurenessemble ist in dieser Adaption nicht lediglich effekthaschend adaptiert, sondern die Rezipienten erhalten in Form einer unterhaltsamen Didaxe zahlreiches zielführend komprimiertes Hintergrundwissen zum Schicksal von Kassandra und Medusa, zum Ende des Trojanischen Kriegs, zur Irrfahrt des Odysseus oder zu den zentralen Fabelwesen Hydra, Sphinx und Chimäre. Zudem steigern zahlreiche wunderbar illustrierte und farbige Bilder, Vignetten, Embleme und schmückende Borten das Lesevergnügen: So kann sich die Leserschaft nicht nur das Haupt der Medusa (S. 67), die Hydra, die Chimäre, die Sphinx und den Kentauren (S. 90f.) besser vorstellen, sondern anhand von schwarz- und rotfigurigen Vasen lernen sie auch die bildende Kunst der Antike als wichtiges Medium zur Überlieferung der Mythen kennen. Auf diese Weise wird nicht nur die Zurückweisung des Weissagungsgottes Apollo durch Kassandra (S. 25) kunstreich vor Augen geführt, sondern auch die Eroberung Trojas (S. 26f.). Auch der Tempel des Poseidon (S. 153) wirkt mit seinen Giebelfiguren und den Karyatiden als gebälktragende Frauenfiguren mit Opferschalen wie ein restauriertes Erechtheion, in dem auch der Wettstreit zwischen Poseidon und Athene um die Namensgebung der Stadt Athen als Kultbild abgebildet gewesen sein soll. Auch dieser Mythos findet Eingang in das Buch. Bei diesem in sich stimmigen Gesamtkonzept verzeiht man gerne bisweilen kleinere logische Ungreimtheiten in Bezug auf die Konzeption des fantastischen Raums.

Der vorliegende vierte Band der Reihe erfindet das mythologisch-phantastische Rad keineswegs neu und unterhält dennoch auch Kenner des Subgenres, weil das Gesamtpaket absolut stimmig ist. Eine mitreißende Freundschaftsgeschichte im Schulkontext ist in ein mythologisches Gewand gebettet, bei dem immer wieder auch mythologisches Basiswissen vermittelt wird. Auch die Zeichnungen sind archäologisch und mythologisch durchdacht und peppen die klassische Abenteuergeschichte auf. Das Buch ist eine kurzweilige Abenteuergeschichte auf den bekannten Spuren und findet zugleich seine eigene Nische. Die noch immer boomende und Spannung aufbauende Mythen-Thematik, der überschaubare Umfang, die flüssig zu lesende Sprache in Kombination mit einigen zielführend integrierten Bildimpulsen machen die Lektüre auch für eher wenige leseaffine Heranwachsende ab 10 Jahren interessant und lohnend. Mit dieser jugendlichen und mutigen Abenteuer-Crew erlebt man gerne weitere Odysseen. Lehrerinnen und Lehrern sei dieser Titel auch explizit als Klassenlektüre in der Sekundarstufe I empfohlen, sofern Leseförderung und Mythenvermittlung im Mittelpunkt stehen sollen.

Literaturhinweise:
- Janka, Markus und Michael Stierstorfer (Hg.): Verjüngte Antike im Mediendialog. Transformationen griechisch-römischer Mythologie und Historie in zeitgenössischen Kinder- und Jugendmedien, Heidelberg: Winter 2017, 392 S.

- Stierstorfer, Michael: Antike Mythologie in der Kinder- und Jugendliteratur der Gegenwart. Unsterbliche Götter- und Heldengeschichten?, Lang: Frankfurt a.M. 2017, 472 S. (= Diss. Universität Regensburg)

Dr. Michael Stierstorfer