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Rezension "Ovid, Metamorphosen"

Rezension zu: „Ovid, Metamorphosen“

Berkan Sariaydin, Besprechung von: Datené, Verena: Ovid, Metamorphosen (Reihe: classica. Kompetenzorientierte lateinische Lektüre 8, Hrsg.: Kuhlmann, P.), Göttingen 2015, 96 S.

Mit dem vorliegenden Lektüreheft „Ovid, Metamorphosen“ bringt Verena Datené eine weitere Ausgabe auf den Markt, die mit dem Vorsatz der Kompetenzorientierung die Metamorphosen Ovids didaktisch aufbereitet.

Die Ausgabe gliedert sich in drei Kapitel. In der Einleitung liefert die Autorin eine Einführung für die Lernenden in den Text und in die Lektüreausgabe und stellt die angestrebten Kompetenzen dar. Dabei informiert sie zugleich über die Konzeption des Büchleins, der zufolge der Text im Mittelpunkt stehen, jedoch auch insbesondere die reichhaltige Rezeptionsgeschichte der Metamorphosen Beachtung finden soll. Im Folgenden wird ein instruktiver Überblick über den Dichter, sein Œuvre im Kontext zeitgenössischer Literatur und die historischen Bedingungen gegeben. Der mit vier Seiten recht umfassende Fließtext (S. 8-12) könnte jedoch einerseits mit weiteren Bildern zur Illustration und Auflockerung versehen werden. Durch Fettdruck o.Ä. könnten zudem zentrale Begriffe und Themen hervorgehoben werden, wodurch die Aufmerksamkeit der Lernenden gezielt gelenkt werden könnte und eine schnelle Orientierung ermöglicht würde. Außerdem wäre es m.E. hier sinnvoll, lesestrategische Aufgaben zu integrieren, um die Schülerinnen und Schüler so lenken zu können, dass sie die relevanten Informationen des Textes aufnehmen.

Bei der Auswahl von Textstücken orientiert sich die Autorin weitestgehend an den in Ovid-Ausgaben gängigen ‚Verwandlungen‘. Unüblich ist alleine die ovidische Erzählung von der Entstehung der Welt, die in der vorliegenden Ausgabe aufgenommen wurde. Anstatt diesen für Schülerinnen und Schüler der zehnten Jahrgangsstufe mit Sicherheit sehr anspruchsvollen Text in die Ovid-Lektüre zu integrieren – und damit womöglich gerade schwächere Lernende zu Beginn der Ovid-Lektüre zu demotivieren – wäre die Aufnahme der Erzählung von Pyramus und Thisbe möglich gewesen, die aufgrund der reichhaltigen Rezeptionsgeschichte (insbesondere Shakespeares Romeo und Julia) ihren Platz in dieser Auswahl verdient hätte.

Im Anhang liegt ein 18-seitiger Lernwortschatz vor, der nach Textstellen gegliedert ist, um den Lernenden die Suche zu erleichtern. Abgeschlossen wird der Band durch einen Überblick über den lateinischen Hexameter und ein kurzes Lexikon zu einigen rhetorischen Figuren und Tropen und mythologischen Gestalten aus Ovids Metamorphosen.

Das Layout der Ausgabe ist – wie von der Reihe classica gewohnt – übersichtlich, strukturierend und angenehm zu lesen. Der Text wird immer wieder durch sinnvolle Illustrationen und Rezeptionsdokumente aus der bildenden Kunst begleitet. Die insgesamt 24 farbige Abbildungen, die die Rezeption der Metamorphosen von der frühen Neuzeit bis in die Gegenwart illustrieren und die gewaltige Strahlkraft des Textes auf den europäischen Kontinent exponieren, stellen damit einen großen Pluspunkt dar. Darüber hinaus sind im Text Überschriften, Interpretationsaufgaben und der Kommentar zu den Originaltexten durch unterschiedliche Druckbilder hervorgehoben, was der Übersichtlichkeit enorm dient.
Bisweilen initiiert die Lektüreausgabe auch pre-reading-Phasen, diese sind aber leider an den Text anschließend in die Interpretationsaufgaben integriert. Hier könnte die Ausgabe den lobenswerten Ansatz noch weiter gehen und systematisch pre-reading-activity in die Textarbeit integrieren.

Den aufbereiteten Texten werden ad-lineam-Kommentare beigefügt, die bei schwierigeren Passagen zu lang ausfallen, was die Lernenden demotivieren könnte, wenn sie im Laufe der Lektüre eventuell das Gefühl bekommen, trotz drei oder gar vier Jahre Lateinunterricht so wenig zu können, dass – überspitzt formuliert – die Hälfte in Übersetzung angegeben werden muss. Hier wäre eine Reduzierung des Kommentars sinnvoll. Als Beispiel dafür mag die Erzählung von den vier Zeitaltern dienen (Ov. met. 1,113-150; S. 26-27): Der Text wird dabei dermaßen üppig kommentiert, dass mehrere größere Spatien nötig sind, um den gesamten an den Rand der Seite gedrängten Kommentar abdrucken zu können. Da die Schülerinnen und Schüler der zehnten Jahrgangsstufe ohnehin bereits mit dem Wörterbuch arbeiten dürften, könnte hier einiges an Ballast eingespart werden. Diejenigen Wörter und Junkturen, die im Kommentar erläutert werden, sind im lateinischen Text mit einer Fußnote markiert, sodass die Lernenden schnell die jeweilige Übersetzung oder Hilfestellung finden können. Zusätzlich werden im Text weit auseinanderstehende Hyperbata insofern aufgelöst, als zusammenhängende Wörter in derselben Farbe gedruckt sind. Syntaktische Strukturen wie ut … sic sind bei schwierigen Textstücken zudem eigens hervorgehoben, was eine Hilfe für die Lernenden darstellt. Vorentlastend wirken zudem die Grammatikpensen, die für die jeweiligen Texte zu wiederholen sind. Leider werden diese ganz unten auf der Seite in einer kleineren Schrift abgedruckt. So läuft die Ausgabe Gefahr, dass die Lernenden diese empfohlene Vorentlastung entweder gar nicht wahrnehmen (ich habe sie während der Durchsicht der Ausgabe selbst nicht gleich gesehen), zu spät, nämlich nach der Lektüre sehen, oder nicht für wichtig erachten – wer liest schon das Kleingedruckte? Sinnvoller wäre es daher gewesen, diese Vorentlastung vor das jeweilige Lektürestück zu stellen.

Die zum Text gestellten Interpretationsaufgaben vertiefen die Original-Lektüre sinnvoll und beziehen dabei weitere Fachliteratur wie Lexikonartikel sowie die vorliegenden Rezeptionsdokumente mit ein. Dabei werden auch Seitenblicke auf andere Wissenschaften gewagt, z.B. auf Metamorphosen in der Zoologie. Versucht man, die Aufgaben dem Schema nach Glücklich zuzuordnen, zeigt sich schnell, dass die Autorin zu allen Bereichen vertiefende Interpretationsaufgaben stellt. Insbesondere die Frage Quid ad nos? wird dabei angemessen berücksichtigt. Einzelne handlungs- und produktionsorientierte Aufgabenstellungen runden die Interpretationen ab und bieten dabei auch die Möglichkeit, die Sozialform zu wechseln, was, wie moderne Lerntheorien zeigen konnte, motivierend auf Lernende wirkt und die Leistungsfähigkeit erhöht.

Resümee: Die besprochene Metamorphosen-Ausgabe besticht durch übersichtliches Layout, ordentliche didaktische Aufbereitung der Originaltexte und sinnvoll gestellte Interpretationsaufgaben. Insbesondere die zahlreichen Rezeptionsdokumente sind hilfreich für die Ovid-Lektüre in der zehnten Jahrgangsstufe und rücken die Metamorphosen als einen Schlüsseltext des europäischen Abendlandes in den Blickpunkt der Schülerinnen und Schüler. Lediglich der zu umfangreiche und infolgedessen demotivierende ad-lineam-Kommentar bleibt zu bemängeln.