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Rezension "Campus - neu 1"

Berkan Sariaydin, Besprechung von: Clement Utz / Andrea Kammerer (Hrsgg.): Campus – neu 1. Gesamtkurs Latein. Ausgabe B, Bamberg 2017, 272 S.

Im Jahr 2017 haben die Herausgeber des in der Schulpraxis äußerst beliebten Lehrwerkes Campus eine Neuauflage ihres ersten Bandes der Ausgabe B vorgelegt, die den veränderten Anforderungen in Didaktik und Unterricht nach dem LehrplanPlus zu entsprechen versucht. Das Lehrwerk Campus – neu ist dabei zunächst nur für L1 ausgerichtet. Die Frage, inwiefern die gesteckten Ziele erreicht wurden und wie sich die Neuauflage von der Original-Ausgabe unterscheidet, soll im Folgenden kritisch beleuchtet werden. Es fallen dabei insbesondere die gegenüber der Original-Ausgabe operationalisierbaren Fragen auf. Die jeweiligen Operatoren sind auch am Ende des Buches angegeben (270–271).

1. Aufbau

Auf Hinweise zur Konzeption und zur Arbeit mit dem Lehrwerk (3–5), die wohl vor allem für Lehrende und Eltern gedacht sind, folgt das Inhaltsverzeichnis (6–11). Das Herzstück bieten natürlich die 41 Lektionen (Original-Ausgabe: 44 Lektionen) und 13 Plateau-Lektionen, in denen der Stoff der vorangegangenen drei Lektionen vertieft werden kann (Campus kompakt; Original-Ausgabe: Campus plus), in die Campus – neu das erste Lehrjahr untergliedert (12–140). Wie in der Original-Ausgabe verteilen sich diese Lektionen auf insgesamt sechs Sequenzen, deren Namen sich gegenüber der Original-Ausgabe in zwei Fällen geändert hat: „Ferien auf dem Land“, „Schulbeginn – Alltag in Rom“, „Besuch bei Verwandten – Stadtleben und Politik“ (Original-Ausgabe: Unterwegs in Kampanien – Handel und Politik“), „Besuch in Rom – Götter, Gladiatoren, Gefahren“ (Original-Ausgabe: „Eindrücke in Pompeji – Leben und Sterben“), „Sagenhafte Helden – Herkules und Äneas“ und „Roms Frühzeit – Von Romulus bis Brutus“. Es lässt sich somit eine Erweiterung der Perspektive beobachten, die sich auch an den Sequenztiteln manifestiert. Beginnend bei der Lebenswelt der Schüler und sie unmittelbar beschäftigenden Themen wie Familie, Schule und Ferien führt der Lehrgang somit über Kampanien und Rom bis in den Mythos und zur römischen Geschichte. Wie der Lektionsteil gibt auch der integrierte Wortschatz- und Grammatikteil (144–243) Hinweise zu seiner Konzeption (141–143). Darauf folgen Tabellen zur Deklination und Konjugation (244–248), ein Register grammatischer Termini (249–250) sowie ein deutsch-lateinisches und ein lateinisch-deutsches Wort- (251–259) und ein Eigennamenverzeichnis (260–265). Das Lehrwerk wird beschlossen durch eine Zeittafel über die (römische) Antike (266–267), einen Stadtplan (268–269) und eine Übersicht über die verwendeten Operatoren (270–271).

2. Layout
Campus – neu bemüht sich um ein gegenüber anderen Lehrwerken derselben Generation (etwa Comes, Agite, Viva) weitgehend schlichtes und dezentes Layout. Das Schriftbild ist übersichtlich und gut lesbar, wobei der lateinische Text immer in einer größeren Serife abgedruckt ist. Bisweilen jedoch wirken die Seiten überladen, da dort gegenüber der Original-Ausgabe neue Elemente hinzugekommen sind, ohne dass alte ihren Platz verloren haben (so etwa Lektion 7; 32–33). Alle Lektionen sind durch verschiedene Abbildungen reich illustriert, ohne dass die Bilder die jeweilige Seite dominieren würden. Gegenüber der Original-Ausgabe sind sogar einige Abbildungen verkleinert worden. Auch das Textstück ist farblich nicht weiter unterlegt, was eine große Änderung zur Original-Ausgabe darstellt, in der die markanten Markierungen zwar die Bedeutung der Lektüre in einer Lektion visuell unterstreichen, jedoch bisweilen zu aufdringlich erscheinen.


3. Didaktische Konzeption

3.1 Rahmenhandlung/Identifikationsfiguren

Es lässt sich insgesamt feststellen, dass Campus – neu in der Grundausstattung gegenüber der Original-Ausgabe stärker an den kindlichen Lernern orientiert ist, wie sich exemplarisch am ersten Sequenzauftakt zeigen lässt (12–13). Während die Original-Ausgabe eine erdrückende Vielzahl an Bildern und Texten bietet und als kulturkundliches Grundwissen („Fundamentum“) den Sachinformationsteil zu „Sklaven“, „Römischer Landwirtschaft“ und „dem Römischen Reich“ auswählt, geht Campus – neu stärker auf den Lernenden ein, reduziert die Abbildungen, bereichert sie zusätzlich um eine comichafte Zeichnung der Bezugsfamilie und weist als „Fundamentum“ lediglich den Informationsteil zu den greifbareren Themen „Sklaven“ und zur „Familie“ aus. Jedoch lässt sich leider eine allzu schnelle Reduktion der Identifikationsfiguren erkennen. Während in den ersten Lektionen die Grammatikeinführung und Lektüre über einzelne Familienmitglieder, Iulia, Cornelia, ihren Großvater und den Sklaven Syrus, aufgebaut wird, geraten diese im Verlauf des Lehrgangs immer stärker ins Hintertreffen, bis in der letzten Sequenz jegliche Identifikationsfiguren fehlen. Aber auch in den übrigen Lektionen treten sie abgesehen von den Einführungssätzen und den Lektüretexten kaum in Erscheinung, sei es in den Aufgaben oder in Abbildungen. Dieser Umgang mit der Familie lässt sich aus vielfacher Perspektive kritisieren. Zunächst ist hervorzuheben, dass ihr Auftreten innerhalb eines Lehrwerks den Lernenden Sicherheit vermittelt und auch aus motivationaler Perspektive förderlich ist. Auch oder vielmehr gerade bei steigender Komplexität der Inhalte wäre es daher durchaus angebracht, Iulia und Cornelia im Sinne einer adressatengerechten Perspektivierung nicht aus dem Blick zu verlieren. Dies ließe sich auch durch nur marginale Eingriffe ermöglichen, wie es Comes vormacht, wo die Schülerinnen und Schüler die junge Identifikationsfigur dabei beobachten können, wie sie zum ersten Mal die Geschichte von Aeneas oder von Romulus und Remus hört. Es wäre dabei unbedingt notwendig, nicht nur weibliche Identifikationsfiguren einzubauen, um auch den männlichen Lernenden eine emotionale Verbindung zu den Inhalten durch die Protagonisten gleichen Geschlechts zu ermöglichen. Insgesamt aber müssten die Figuren eine Persönlichkeit entwickeln können, die nicht auf einer blassen Oberfläche für die jeweiligen Textstücke funktionalisiert wird, sondern darüber hinaus Bedeutung entfalten kann.

3.2 Induktive Grammatikeinführung?

Über die didaktische Grundkonzeption wird auf S. 3 Rechenschaft abgelegt. Campus – neu legt im Vergleich zur Original-Ausgabe den Fokus stärker auf Induktion und entdeckendes Lernen. So wird unter der Sigle E, die ursprünglich als Einführung des neuen Grammatikstoffs in Einzelsätzen konzipiert war, in Campus – neu die Entdeckung des zu lernenden Pensums gefasst. Blickt man jedoch in die einzelnen Lektionen, lässt sich schnell erkennen, dass die veränderte Auflösung dieser Sigle auf keine tiefgreifenden konzeptuellen Revisionen schließen lässt, da weiterhin die Einzelsatzmethode ohne weitere Aufgaben- oder Hilfestellung angewandt wird. Die wenigsten Schülerinnen und Schüler werden jedoch alleine an einem Satz wie Vici et insulae sunt partes urbis (Lektion 23, E 7; S. 84) die Genitivform der dritten Deklination entdecken können. Sinnvoller zeigt sich das Konzept freilich etwa in Lektion 31 (108), die den AcI als neues Grammatikpensum einführt (Lektion 34, S. 112 in der Original-Ausgabe). Dort wird die Konstruktion zunächst in einem unabhängigen Satz geboten und in einem zweiten Satz mit AcI dargestellt. In der kontrastiven Gegenüberstellung beider Sätze lässt sich für die Lernenden der AcI damit als satzwertige Konstruktion begreifen, der aus Akkusativ und Infinitiv gebildet wird, und als solche übersetzen. Dennoch wäre auch hier das anvisierte Entdecken des Pensums etwa durch kontrastiven Sprachvergleich und konkrete Aufgabenstellungen, die die Lernenden nicht nur zur Übersetzung des AcI befähigen sollen, sondern die Verinnerlichung des damit einhergehenden Konzeptes zum Ziel nehmen, besser erreichbar. Die gegenüber der Original-Ausgabe stärker akzentuierte vermeintlich induktive Form der Grammatikeinführung löst damit nicht ein, was sie verspricht. Aus lernpsychologischer und didaktischer Perspektive sinnvoller wirkt jedoch die gegenüber der Original-Ausgabe völlig neu eingeführte Sektion „Lerncampus E“ überall dort, wo „ein selbsttätiges Entdecken des Grammatikstoffs ertragreich erscheint“ (3). So werden auch in der eben behandelten Einführung des neuen Pensums in Lektion 31 Aufgaben vorgelegt, die die eigenständige Erarbeitung ermöglichen sollen. Mit diesen zusätzlichen Hilfestellungen können die Lernenden erkennen, dass der lateinische AcI im Deutschen nicht immer wörtlich wiedergegeben werden kann und eine Übersetzung mit „dass“ etwa bei den Verba sciendi obligatorisch ist. Diese neu konzipierte Sektion ist daher durchaus begrüßenswert und stellt gegenüber der Original-Ausgabe eine Bereicherung dar, die jedoch auch nicht restlos überzeugt. So fordern die meisten der Lerncampus-E-Inhalte zwar durchaus die Erschließung der Regel aus den in den E-Sätzen gebotenen Paradigmata, meist wird dabei jedoch implizit bereits eine Regel vorgegeben, etwa in Lektion 28 bei der Einführung des s- und des Reduplikationsperfekts. Anstatt die Lernenden selbst die Formenbausteine mit Hilfestellung differenzieren und wirklich selbst entdecken zu lassen, wird bereits die Trennung an einem Beispiel der E-Sätze vorgegeben (100). Auch Lerncampus-E zu Lektion 19 hilft den Schülerinnen und Schülern nur bedingt weiter, wenn sie für die Entdeckung der dritten Deklination lediglich den Arbeitsauftrag erhalten, langsam vorzugehen: „Erschließe die Endungen der neuen Deklinationsklasse, indem du E 1–6 Schritt für Schritt übersetzt“ (70). Die Bündelung und Sicherung der Ergebnisse in einem Deklinationsschema sind zwar sinnvoll, die Aufgaben- und Hilfestellung für das selbstentdeckende Lernen jedoch wohl nicht für alle Schülerinnen und Schüler zielführend. Nichtsdestotrotz stellt diese neue Sektion einen Gewinn dar. Umso bedauernswerter erscheint daher, dass die Lerncampus-Sektionen nicht konsequent in jeder Lektion ihren Platz finden. Lediglich 13 von 41 Lektionen verfügen über diese Aufgabenstellung, also weniger als ein Drittel. Hier wäre eine höhere Dichte oder gar ein Einsatz in jeder Lektion sinnvoller gewesen, da durch induktive Lernformen Konzeptlernen besser möglich und dadurch die Retention des Pensums gesteigert werden kann. Dasselbe lässt sich für die ebenfalls neu eingeführte Sektion Lerncampus-Ü festhalten. So bieten lediglich elf Lektionen Binnendifferenzierung für die Übungsaufgaben an, wobei auch hier nicht klar wird, nach welchen Prinzipien die Lerncampus-Ü-Einheiten eingesetzt werden. Daher erscheint auch hier eine konsequentere Umsetzung der binnendifferenzierten Übungsformate sinnvoll.


3.3 Methodenpluralismus

Wie für die Original-Ausgabe lässt sich auch für Campus – neu ein Zwei-Seiten-Prinzip festhalten, das auf der linken Seite unter Verzicht auf den neuen Wortschatz den Fokus auf die neuen Grammatikpensen legt (Siglen: E: Entdecken; Ü: Übungen; I: Sachinformationen) und auf der rechten Seite den neuen Wortschatz einführt (Siglen: T: Lektionstext; V: Texterschließung und sprachliche Vertiefung). Dabei bietet auch die Neuauflage von Campus zwei methodische Ansätze an, um eine Vielzahl an Lehrenden zu erreichen. Die Lektionen können entweder von links nach rechts, also von Einzelsätzen ausgehend hin zum Lektionstext, oder von rechts nach links, also vom Lektionstext zu den Übungen und Einzelsätzen, erarbeitet werden. Freilich kann so den Wünschen der meisten Lehrerinnen und Lehrer entsprochen werden, jedoch muss das Lehrwerk deswegen etwa sein Ziel, das neue Pensum entdecken zu lassen, soweit minimieren, dass auch bei nicht erfolgender Bearbeitung kein Verlust entsteht. Auch eine Vokabelersteinführung wird so nicht möglich, da ihr Ort entscheidend vom jeweiligen Vorgehen der Lehrkraft abhängen würde. Stattdessen überlässt Campus – neu den Lehrenden eine große methodische Freiheit bei der Arbeit mit dem Buch, eine stärkere Orientierung an den Lernenden mit dem Ziel, deren Retention der Lerninhalte zu erhöhen, bei gleichzeitig didaktisch konsequenter und durchgängiger Linie, wie sie etwa Comes bietet, wäre jedoch begrüßenswert.
Diese Bemerkungen seien an einer Lektion exemplifiziert. In Lektion 3 (20–21) wird hauptsächlich der Akkusativ der a- und o-Deklination eingeführt. In drei E-Sätzen soll das neue Pensum „entdeckt“ werden, wozu das comichafte Bild auf der rechten Seite Hilfe bietet, indem die Situation des ersten Satzes dargestellt ist, der Großvater mit dem erhobenen Zeigefinger: Avus puellam monet (20). Die weiteren E-Sätze stellen nur Variationen desselben grammatischen Paradigmas dar, indem lediglich das Objekt ausgetauscht wird, während Prädikat, Subjekt und die Konstruktion identisch bleiben. Hier wären größere Modifikationen aus motivationaler Perspektive begrüßenswert gewesen. Auf die E-Sätze, die eine Kohärenz vermissen lassen, schließen sich insgesamt sechs Übungen an (Ü a–f), unter denen die Lehrkraft eine angemessene Auswahl treffen muss. Übung a stellt eine weitere Übersetzungsübung dar, welche die E-Sätze lediglich weiterführt und z.T. sogar wortwörtlich zitiert. In fünf Sätzen wird zweimal gemahnt und immerhin dreimal gefürchtet. Übung b stellt eine Einsetz-, c eine Zuordnungs-, d eine Systematisierungs-, e erneut eine Zuordnungs- und f schließlich eine weitere Einsetzübung dar, durch die jeweils die Bildung und Verwendung des neuen Casus eingeschliffen werden soll. Es fehlen dabei sowohl Aufgaben zum Entdecken des in dieser Lektion neu eingeführten Wortschatzes als auch handlungs- und produktionsorientierte Verfahren, die den Lehrgang methodisch variieren und die Lernenden dadurch motivieren würden. Vielmehr wird durch viele kleinschrittige und monotone Grammatikübungen ein Erlernen der grammatischen Phänomene angestrebt, die die Schülerinnen und Schüler jedoch kaum zu eigenständigem und entdeckendem Lernen aktiviert. Gerade im ersten Lehrjahr wären daher eine größere Anzahl spielerischer Umgangsformen sinnvoll, bei denen die Schülerinnen und Schüler etwa eigene Sätze bilden oder die gelernten Vokabeln mimisch und gestisch darstellen sollen. Als Aufgaben mit dem spezifischen Ziel, Vokabeln einzuüben und anzuwenden, seien jedoch die neuen Übungen Selbstverständlich Latein und Latein polyglott lobend hervorgehoben, in denen deutsche Fremdwörter mit einer lateinischen Sprachwurzel erklärt respektive Wörter, Junkturen und Sätze einer romanischen Sprache etymologisch auf die lateinische Wurzel zurückgeführt werden sollen. Beide Aufgabenformate verdeutlichen den großen Nutzen einer vermeintlich toten Sprache beim Erlernen neuer Sprachen und dem Verstehen komplexer und fachsprachlicher deutscher Texte. Jedoch sind diese Aufgaben derart selten, dass sie mehr als Bonbon dienen, obwohl sie gerne in höherer Frequenz sinnvoll in der Vokabelarbeit eingesetzt werden könnten.

Äußerst problematisch hingegen erscheint der Umgang mit der antiken und römischen Kultur, der weitestgehend in kleinen Sachinformationsteilen meist dicht gedrängt und nicht selten geradezu erdrückt vom Rest der Lektion am Seitenende geboten wird. In der besprochenen Lektion 3 findet sich so unter den Übungen und in kleinerem Druck (daher unwichtig oder gar fakultativ?) eine Einführung in das antike Sklavenwesen mit der provozierenden Frage „Wie wird man ein Sklave?“ Aufgaben, die einen näheren Umgang mit dem I-Text fordern, gibt es hier wie sonst nicht. Die dort gebotenen Inhalte sind dabei kaum sinnvoll funktional greifbar für die Schülerinnen und Schüler, führen inhaltsmäßig nur grob in die römische Alltagswelt ein und erarbeiten dabei keinerlei Konzepte für diese fremde Welt – für ihre jedoch eminente lernpsychologische Bedeutung als Fundament jeden weiteren Lernens sei auf die Arbeiten von Franz Peter Waiblinger verwiesen. Der I-Text müsste also viel systematischer und auch umfassender in den Lehrgang eingebaut werden, um nicht nur das Übersetzen, sondern auch das Verstehen und die Retention des Gelernten zu ermöglichen.

Der Lektionstext auf der rechten Seite (21) zerfällt in zwei Teile und bietet eine kleine Geschichte aus der Welt der Identifikationsfiguren. Es ist für die Anfangsphase natürlich schwieriger, wirkliche Leseerfahrung zu ermöglichen, jedoch wäre auch hier eine Abwechslung der Verba notwendig gewesen – variatio delectat! Stattdessen wiederholen die Schülerinnen und Schüler nur ein weiteres Mal die Wendungen, die schon in den E-Sätzen und in Übung a vorkamen: Avus servam monet (Z. 1), Nunc avus servos monet (Z. 4), Nunc et Cornelia servos monet (Z. 6), Servi dominum non timent; neque Corneliam timent; servi neque dominum neque puellas timent (Z. 7–8). Stattdessen wäre auch hier die Verwendung anderer Wörter sinnvoll gewesen, anstatt in einer Lektion insgesamt siebzehnmal (!) ermahnen zu lassen.

Löblich ist, dass sich Campus von Anfang an um eine tiefere Auswertung des Gelesenen bemüht und die Schülerinnen und Schüler so auf die späteren Interpretationsaufgaben vorbereitet. Die post-reading-activity ist dabei in die Sprachvertiefung integriert und versucht in diesem Fall auch Text, Kulturkunde und die beigegebene Abbildung einer Rekonstruktion von Sklaven bei der Landarbeit miteinander ins Spiel zu bringen. Eine pre-reading-activity fehlt hingegen. Übung b stellt eine Transformationsübung dar, die ihren Platz genauso gut bei den ersten Übungen hätte finden können. Unter c sollen die „kleinen“ Wörter nam, sed, et und neque … neque, die häufig durcheinander gebracht werden, sinnvoll eingesetzt und somit voneinander differenziert werden. D ist eine Übersetzung ins Lateinische, in der wieder fleißig ermahnt und gefürchtet wird.

3.4 Bebilderung und bilddidaktische Auswertung

Zur Bebilderung lässt sich festhalten, dass eine Vielzahl von verschiedenen visuellen Medien zur Veranschaulichung, Vertiefung und Auflockerung angewandt wird. Kindgerechte comichafte Zeichnungen illustrieren häufig die jeweiligen Kontexte, antike Relikte vermitteln die römische Kultur und moderne Rekonstruktionen lassen die Antike als das nächste Fremde in den Blick treten, wozu auch Rezeptionsdokumente verwendet werden wie in der achten kompakt-Lektion, wo ein Szenenbild aus dem Hollywood-Blockbuster „Gladiator“ (88) abgedruckt ist und die Faszination, welche die Antike auch auf die zeitgenössische Populärkultur ausübt, zeigt. Das Layout-Verhältnis zwischen Bildern und Texten erscheint insgesamt angemessen. Bisweilen ist die Auswahl der jeweiligen Abbildungen jedoch zu hinterfragen, etwa in den Lektionen 32 und 33, in denen das vierte und das zwölfte Buch der Aeneis mit Illustrationen aus der Renaissance-Zeit versehen werden und bei den Schülerinnen und Schülern mehr mit mittelalterlichen Welten als mit der Antike verbunden werden mögen, erscheint dort doch Aeneas als gepanzerter Ritter (113) und Karthago geradezu als Märchenschloss (111). Hier wären daher zusätzliche Aufgaben zielführend, die das Verhältnis von Bild und Text jeweils nachvollziehen und die Abbildungen als genuine Sinnkonstruktionen nach der Lektüre auswerten lassen. Hervorzuheben sind jedoch, auch wenn in diesem Fall eine tiefergehende Verarbeitung der Bilder fehlt, die gegenüber der Original-Ausgabe hinzugekommenen bilddidaktischen Aufgaben, die bei vielen Abbildungen eine tiefergehende Verwertung des Bildes an sich verlangen, etwa in Lektion 22, wo an einer Iuppiter-Darstellung die Attribute des Göttervaters herausgearbeitet werden sollen (81).

4. Wortschatz- und Grammatikteil

Der Wortschatz- und Grammatikteil bietet wie das gesamte Lehrwerk ein übersichtliches und dezentes Layout. Die meisten Lektionen enthalten etwa 13 Vokabeln, sollten also in zwei Unterrichtsstunden gut zu bewältigen sein. Die Vokabeln werden in einer dreispaltigen Tabelle präsentiert, die links das lateinische Lemma und den damit zusammenhängenden Grammatikstoff, in der Mitte die deutschen Bedeutungsangaben und rechts das Interlexikon bieten. Letzteres wird in der unterrichtlichen Arbeit nicht immer der Retention der Lernenden dienen können, da neben englischen Wörtern auch andere Vokabeln der romanischen Sprachen angegeben werden, die vielmehr das Fortleben der lateinischen Sprache verdeutlichen. Bisweilen finden sich zusätzlich comichafte Illustrationen, die den Schülerinnen und Schülern beim Lernen helfen sollen, etwa in Lektion 4, wo ein Lehrer und ein Schüler im Klassenzimmer gezeigt werden, wodurch u.a. die Vokabeln docere und studere behalten werden sollen. Visualisierung steigert enorm die Retention der zu lernenden Wissenseinheiten – es ist daher schade, dass diese Möglichkeit nicht häufiger zum Einsatz gebracht wird. Auch weitere Modi, die das Lernen erleichtern und die Behaltensleistung steigern können, kommen, wenn überhaupt, nur spärlich zur Anwendung. Insbesondere Kollokationen lassen sich kaum finden, wären aber für die Automatisierung der Lektüre von größter Bedeutung (sinnvoll eingesetzt etwa in Lektion 23 zu den polysemen Vokabeln virtus, negotium/negotia und exercere; 198). Auch die übrigen Möglichkeiten der Feldvernetzung werden leider kaum genutzt (Lektion 22 bietet etwa ein Sachfeld „Religion“, in dem auch mit Kollokationen gearbeitet wird; 196), obwohl sie aus lernpsychologischer Sicht effiziente Lernassoziationen schaffen könnten. Lediglich in den Methodenteilen, die in den Wortschatz- und Grammatikteil integriert sind, werden derartige Möglichkeiten vorgestellt und den Schülerinnen und Schülern zur eigenständigen Verantwortung gegeben. Ab der siebten Lektion werden zudem immer vor den Lernwörtern sechs Wiederholungswörter aufgeführt, die dadurch aufgefrischt werden sollen, jedoch laut den Hinweisen zur Konzeption nur fakultativ sind. Lemmata, die den neuen Grammatikstoff repräsentieren, etwa Vokabeln einer in dieser Lektion neu eingeführten Konjugationsklasse, sind außerdem alle zusammen unter den Lernwörtern abgedruckt, was das systematische Lernen nach spezifischen grammatischen Kategorien erleichtern mag. Der übersichtliche Grammatikteil besteht meist aus Formentabellen mit einigen wenigen zusätzlichen Angaben oder Beispielssätzen und veranschaulichenden Schemata. Durch Fettdruck der wichtigen Termini fällt eine Orientierung leicht. Aber auch hier wären weitere Möglichkeiten der Veranschaulichung sinnvoll wie in Lektion 12, wo die Präpositionen durch die Position einer Maus im Verhältnis zu ihrer Hütte durch Zeichnungen veranschaulicht werden. Darüber hinaus wäre eine deutlichere Abtrennung der verschiedenen Lektionen in diesem Bereich sinnvoll, um die gesuchte Seite schnell zu finden.

5. Zusatzangebot

Vertrieben wird zu Campus – neu ein ganzer Produktkranz, der im Unterricht eingesetzt werden und auch außerhalb des Klassenzimmers zur Vertiefung der Lerninhalte zur Anwendung kommen kann. Dazu zählen eine kulturkundliche Einführung in die römische Antike mit dem Titel „Alles über das antike Rom“, ein binnendifferenziertes LÜK, ein Heft mit spielerischen Übungsformen zu Wortschatz und Grammatik mit dem Titel „Spielen und Rätseln, das begleitende Lektüreheft „Das Geheimnis der sprechenden Statue“ zu den Lektionen 12–39 und ein Ferienlernheft zur eigenständigen Wiederholung der Lerninhalte. Alle diese Titel sind online auf der Homepage des Verlages einzusehen und erscheinen voraussichtlich im Laufe des Jahres 2018.
Zusätzlich sind bereits jetzt für Campus – neu ein Prüfungs-, und ein Trainingsheft mit zusätzlicher Lernsoftware, ein eigenständiges Wortschatztrainingsheft, eine Vokabellernhilfe („Wort für Wort. Clever Vokabeln lernen“), in der Tipps und Merkhilfen zu jeder Vokabel des Lehrgangs gegeben werden, und eine Vokabelkartei erhältlich. Darüber hinaus liegt ein Lehrerheft und weiteres digitales Lehrermaterial als click & teach Box vor.
Der zweite Band wird ebenfalls voraussichtlich im Laufe des Jahres 2018 mit einem ebenso reichhaltigen Zusatzmaterial erscheinen.

6. Resümee

Ein bisschen was von allem. So lässt sich auch die Neuauflage des Allrounders Campus am besten charakterisieren. Der Aufbau ist klar und deutlich und das Layout besticht insgesamt durch Übersichtlichkeit und Dezenz, obwohl mancherorts die Seiten überladen wirken. In der didaktischen Konzeption lässt sich erkennen, dass sich Campus – neu wie die Original-Ausgabe darum bemüht, ein Lehrwerk für alle Lehrende zu sein, indem es die Einzelsatz- wie die Textmethode für die Einführung des neuen Grammatikpensums koexistieren lässt und mehrere Übungsformate vorschlägt, aus denen eine Auswahl nach eigenem Ermessen getroffen werden soll. Dadurch, dass Campus – neu jedoch auf einen klaren Aufbau, das ein Vorgehen von Einzelsätzen zum Text oder anders herum vorschreibt, verzichtet und die vermeintlich induktiven Elemente bei der Grammatikeinführung respektive -entdeckung das Konzept nicht grundsätzlich ändern, sondern nachträglich nur leicht zu modifizieren versuchen, lässt sich bisweilen Systematik vermissen. Zu kritisieren ist ebenfalls die Monotonie der traditionellen Übungsformate, die kaum spielerische und handlungs- und produktionsorientierte Aufgaben beinhalten, die aus lernpsychologischer Perspektive richtig eingesetzt die Behaltensleistung steigern könnten. Das größte Monendum stellt jedoch der Sachinformationsteil dar, der nicht nur äußerst knapp ausfällt, sondern auch geradezu marginalisiert wird. Anstatt die kulturellen Informationen in den Lehrgang einzubinden, werden sie gewissermaßen zum fakultativen Element, das nur allzu selten und schwach in den Kontext eingebettet wird. Hier müsste die Kulturkunde viel stärker zum Ausgangspunkt jeglicher Auseinandersetzung mit der lateinischen Sprache werden, da erst über die kulturelle Einbettung der Inhalte in die Welt der Antike die Entwicklung von Konzepten möglich wird. Auch müsste die Vokabelersteinführung und -sicherung durch spezifische und konsequente Wortschatzaufgaben im Übungsteil und eine stärkere und umfassendere Feldvernetzung im zweiten Teil des Lehrwerks deutlich stärker in den Lehrgang integriert werden, wodurch eine höhere Behaltensleistung zu erwarten ist. Summa summarum stellt Campus – neu damit zwar ein solides Lehrwerk dar, versucht jedoch weniger durch Innovation als durch Tradition zu punkten und lässt daher einige moderne lernpsychologische und didaktische Möglichkeiten ungenutzt. Das Lehrwerk ist daher ohne Frage geeignet für die unterrichtliche Praxis, die Lehrkraft müsste sich jedoch insbesondere darum bemühen, kulturkundlich ausgerichtete Kontextualisierungen zu schaffen und Konzeptlernen durch eine gezielte Vokabelersteinführung zu ermöglichen.