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Rezension zu: "Ovid, Amores"

Stefan Walberer, Besprechung von: Klug, Felix: Ovid, Amores. Ein kompetenzorientierter Lernzirkel mit Binnendifferenzierung. Mit Illustrationen von Ralph Ehrenreich. Göttingen 2014, 80 S. [inklusive E-Book]

Der vorliegende Lernzirkel wurde von Felix Klug entworfen und ist im Jahre 2014 erschienen. Das Heft unternimmt den Versuch, noch relativ neue Ideen zu selbstgesteuertem Lernen und eigenverantwortlichem Arbeiten sinnvoll in den Lateinunterricht zu integrieren. Es bietet einen detailliert ausgearbeiteten Vorschlag, wie diese Ideen bei der Behandlung von Ovids Amores im sogenannten „offenen Unterricht“ umgesetzt werden können.

Zielsetzung des Hefts

Ausführliche didaktisch-methodische Vorbemerkungen auf S. 6-9 erklären Konzeption und Zielsetzung des Lernzirkels.

Es wird insbesondere auf die Bildungs- und Kompetenzstandards des modernen Lateinunterrichts verwiesen. Diesen zufolge würden kognitive Kompetenzen durch Übersetzung und Interpretation der Texte gefördert. Die Erörterung und kreative Bearbeitung elegischer Motive in Ovids Liebesdichtung soll zur Reflexion dieser Motive vor dem Hintergrund der individuellen Erfahrungswelt der Schülerinnen und Schüler anregen. Auch fachspezifische Methoden und „fächerübergreifende Lern- und Arbeitstechniken“ will der Lernzirkel vermitteln. Dazu gehören einerseits Techniken der Übersetzung und Erschließung lateinischer Originaltexte, andererseits „gezielter Umgang mit Hilfsmitteln“, etwa bei der Recherche. Auch der personale Bereich sei abgedeckt, heißt es auf S. 6. Bei der Bearbeitung des Lernzirkels erlernen die Schüler laut Autor Selbständigkeit, verantwortungsbewusste und fristgerechte Bearbeitung der Aufgaben und Kritikfähigkeit. Weil einige der Aufgaben auch in Partnerarbeit oder in Kleingruppen bearbeitet werden können, habe der Lernzirkel auch im sozialen Bereich das Potential, Kompetenzen zu vermitteln.

Neben der Kompetenzorientierung spielt außerdem die (Binnen-)Differenzierung eine große Rolle in Klugs Konzept, wie auch schon der Untertitel auf dem Umschlag ankündigt. Zieht man wieder die Vorbemerkungen zu Rate, erfährt man, dass Differenzierung durch vorliegende Ausgabe auf unterschiedliche Weise ermöglicht werde: Zunächst unterscheide sich das Anforderungsniveau der Texte hinreichend. Es wird angekündigt: „Alle Lernenden können somit ihrem Leistungsstand entsprechend gefördert und gefordert werden.“ Außerdem stehe es den Schülern frei, je nach individuellen Interessen und Vorlieben aus verschiedenen Texten und Aufgabenstellungen auszuwählen. Weil durch die verschiedenen Aufgabentypen unterschiedliche Eingangskanäle aktiviert würden, differenzierten sie zudem zwischen verschiedenen Lerntypen. Schließlich sei Differenzierung auch durch die unterschiedlichen Sozialformen gewährleistet.

Auf S. 10 werden „Vorschläge zur Evaluation der Lernzirkelarbeit“ gemacht. Neben der Korrektur und Bewertung der Portfolio-Mappen auf inhaltlicher und formaler Ebene wird empfohlen, anhand eines Fragebogens von den Lernenden eine Rückmeldung einzuholen.

Man erhält also schon vor den eigentlichen Materialien eine genaue Vorstellung davon, was vorliegender Lernzirkel erreichen will, wie er umgesetzt werden soll und welche Vorteile der Autor verspricht. Inwieweit diese Versprechungen anhand der vorliegenden Materialien auch erfüllt werden (können), soll im Folgenden genauer analysiert werden.

Inhalt

Auf die ausführliche Vorbemerkung und die Vorschläge zur Evaluation – beides sehr hilfreich für die Vorbereitung der Lernzirkelarbeit durch die Lehrkraft – folgen die eigentlichen Materialien, die für die Arbeit in der Klasse notwendig sind. Hier befinden sich die Arbeitsaufträge zur Auslage an den Stationen, ein dreiseitiger Laufzettel zur individuellen Dokumentation des Arbeitsstandes durch die Schüler und zwei als „Wegweiser durch den Lernzirkel“ bezeichnete Seiten als Orientierungshilfe während der Bearbeitung der Stationen. Eine weitere Seite erklärt die Symbole, die bei den Arbeitsaufträgen zum Beispiel das jeweils vorgesehene Zeitpensum oder mögliche Sozialformen angeben.

Der Aufbau des Lernzirkels erscheint sinnvoll: Nachdem Station 1 Grundwissen zu Ovid und seinem Werk gegeben hat, soll an Station 2 die Übersetzung kurzer Passagen aus Ovids Amores im Zentrum stehen. Station 3 bietet anschließend Materialien zur Interpretation der übersetzten Passagen und in Station 4 dürfen die Schüler darauf aufbauende kreative Ideen umsetzen. Anschließend sollen sie an der vorletzten Station die Ergebnisse für die Präsentation vor der Klasse aufbereiten. Station 6 dagegen dürfen sie zu jeder Zeit aufsuchen, wenn Hilfestellungen benötigt oder zusätzliche Anregungen gesucht werden. Zudem können hier Zwischenergebnisse überprüft werden. Im Folgenden soll auf die einzelnen Stationen und deren Inhalte noch genauer eingegangen werden.

Station 1 (Hintergrundwissen)

An der ersten Station haben die Lernenden die Wahl zwischen einem deutschen Informationstext mit Multiple-Choice-Quiz und einem Internetrechercheauftrag. Beides verfolgt das Ziel, Grundwissen zu Ovid und zur Liebeselegie zu vermitteln oder gegebenenfalls zu wiederholen. Schon hier haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, Aufgaben je nach individuellem Gusto auszuwählen.

Inhaltlich bleibt anzumerken, dass zwar das elegische Distichon als Versmaß der Liebeselegie erwähnt, aber nicht weiter vertieft wird. Bei den Übersetzungstexten und in den Aufgabenstellungen zu Interpretation und kreativer Umsetzung taucht die metrische Analyse leider nicht auf.

Station 2 (Übersetzungstexte)

Mit ausreichend Grundwissen gewappnet dürfen sich die Lernenden dann an Station 2 einen von sieben verschiedenen Übersetzungstexten heraussuchen, die der Herausgeber jeweils in drei verschiedenen Schwierigkeitsstufen aufbereitet hat. So ist Differenzierung nicht nur auf der Ebene des Interesses gegeben, sondern auch bezüglich des individuellen Kenntnisstandes der Schülerinnen und Schüler. Folgende Texte stehen zur Auswahl:

  • Amors neue Beute (Ovid, Amores I,2,1-10 und I,2,17-20)
  • Für immer du! (Ovid, Amores I,3,1-6 und I,3,15-20)
  • Öffne die Tür (Ovid, Amores I,6,1-18)
  • Liebe ist Krieg (Ovid, Amores I,9,1-10 und I,9,41-44)
  • Ich ergebe mich (Ovid, Amores II,9b,1-14)
  • Sie hat gelogen (Ovid, Amores III,3,1-14)
  • Liebe und Hass (Ovid, Amores III,11b,1-12)

Wie diese Liste zeigt, werden also Texte aus allen drei Büchern der Amores präsentiert, welche die wichtigsten elegischen Motive, wie z. B. die militia amoris oder das Paraklausithyron des exclusus amator, enthalten. Die Länge der Textpassagen erscheint für die veranschlagte Zeit (maximal zwei Unterrichtsstunden) angemessen.

Station 3 (Interpretationsaufgaben)

Nach der Übersetzung der Texte soll die dritte Station den Bereich der Interpretation abdecken. Beim Durchblättern fällt auf, dass viele der Materialien und Rezeptionsdokumente, die für vergleichende Aufgaben zur Verfügung gestellt werden, recht aktuell sind – wenn auch nicht immer passend oder relevant. Es finden sich zum Beispiel zeitgenössische Gemälde (etwa Ralph Ehrenreich, Modernes Paraklausithyron von 2014 auf S. 48), Comics, Liedtexte von Udo Lindenberg (Bis ans Ende der Welt von 1988 auf S. 45) und Rammstein (Ohne Dich von 2004 auf S. 63) und ein Bild von Kandidatinnen der Fernsehshow Germany’s Next Topmodel (S. 58), das als Darstellung des heutigen Idealbildes von Schönheit präsentiert wird. Vor allem letzteres wirkt dann aber doch etwas zu platt und gezwungen „aktuell“. Hier hätte man sicher eine originellere Alternative von größerer Relevanz finden können.

Sinnvollerweise werden auch Originaltexte (mit Übersetzung) der Elegiendichter Properz und Tibull als Grundlage für (vergleichende) Interpretationsaufgaben angeboten. Auch weitere Ovid-Texte (z. B. aus der Ars amatoria II) stehen als Paralleltexte zur Verfügung (etwa S. 50). Gedichte, Zeitungsartikel und Auszüge aus wissenschaftlicher Literatur, die mit Liebe oder Liebesdichtung zu tun haben, sind ebenfalls abgedruckt. So ergibt sich insgesamt eine gute Mischung unterschiedlichster Vergleichsdokumente, auch wenn die meisten Schülerinnen und Schüler jeweils nur ein bis zwei davon genauer bearbeiten. Der aktualisierende Transfer in die heutige Zeit kommt hier auf keinen Fall zu kurz.

Die einzelnen Aufgaben beziehen sich auf die an der zweiten Station übersetzten Texte und verlangen meist sowohl eine Auseinandersetzung mit dem Text auf sprachlicher und inhaltlicher Ebene als auch die Einbeziehung von Vergleichsmaterialien. Außerdem haben die Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit, aus mehreren Aufgaben auszuwählen.

Station 4 (Aufgaben zur kreativen Umsetzung)

Aufbauend auf die umfangreiche Interpretation bietet die vierte und letzte inhaltliche Station Anregungen, sich kreativ mit den behandelten Texten auseinanderzusetzen. Die Arbeitsaufträge reichen hier von kreativem Schreiben (z. B. Tagebucheinträge, Popsongtexte) bis zu zeichnerischen oder graphischen Umsetzungen, etwa Collagen, Comics oder Standbildern. Auch diese Station baut auf die vorangegangenen auf, jedoch bleibt zu jedem Text eine ausreichende Auswahlmöglichkeit. Teilweise werden Anschaumaterialien geboten. Die meisten Aufgaben beziehen außerdem Materialien der Station 6 mit ein und versuchen den Textumfang zu erweitern, indem etwa Passagen auf Deutsch gelesen werden sollen. Zu bezweifeln ist aber, ob – und wenn ja inwieweit – die hier präsentierten Aufgaben zu einem vertieften Verständnis des lateinischen Originaltextes beitragen. Sie fokussieren wohl eher den kreativen Aspekt und entfernen sich teils weit vom Text, was immerhin zu weiterer Reflexion des Textes von völlig neuen Perspektiven aus anregen kann.

Station 5 (Vorbereitung der Ergebnispräsentation)

Nach den inhaltlichen Stationen 1 bis 4 dient die fünfte Station der Vorbereitung einer Präsentation der erarbeiteten Inhalte. Ein einseitiges Hinweisblatt gibt Tipps zu formalen und inhaltlichen Anforderungen an die Vorstellung der Arbeitsergebnisse. Je nach den Wünschen oder Ansprüchen der Lehrkraft empfiehlt es sich aber, einige Anpassungen vorzunehmen. Die veranschlagte Zeit von nur einer Unterrichtsstunde ist nicht üppig, dürfte aber reichen, da die inhaltliche Vorbereitung ja bereits abgeschlossen sein sollte.

Station 6 (Zusatzmaterialien und Hilfestellungen)

Wie oben bereits angesprochen, dient die sechste Station lediglich der zusätzlichen Information und bietet Hilfe bei der Bearbeitung der Aufgaben an den Stationen. Als Nachschlagewerke sollten hier etwa auch Wörterbücher, Grammatiken und zweisprachige Textausgaben zur Verfügung gestellt werden. So erhält die Klasse die Gelegenheit, bei Problemen oder Verständnisschwierigkeiten selbst zu recherchieren und ihre Methoden- und Selbstkompetenz zu schulen. Weil in den Aufgabenstellungen teils explizit auf bestimmte Nachschlagewerke verwiesen ist, sollte man darauf achten, dass diese dann auch vorliegen, zumindest in Kopie. Manche der im Geheft enthaltenen Materialien sind leider eher Lösungen als Hilfen, geben also zu viel vor. Das kann einerseits dazu führen, dass die Station 6 als Anregung oder Lösungsvorgabe vor der eigenständigen Auseinandersetzung mit den Aufgaben verstanden wird, sodass die Materialien zum Abschreiben genutzt werden. Andererseits besteht die Gefahr, dass Schülerinnen und Schüler nach selbstständiger und richtiger Bearbeitung der Aufgabe sich bei der Selbstkontrolle an Station 6 verunsichern lassen, weil ihnen einer der dort angegebenen Aspekte fehlt.

Leider ist die Reihenfolge der Stationen größtenteils festgelegt, was unumgänglich zu ungleicher Verteilung der Schülerinnen und Schüler vor allem zu Beginn der Lernzirkelphase führt. Zwar kann mit Station 1 oder 2 begonnen werden, die Stationen 3 bis 5 sind aber von den Ergebnissen der jeweils vorangegangenen Stationen abhängig. Wichtig ist es also, anfangs darauf zu achten, dass sich die Lernenden möglichst gleichmäßig verteilen.

Zusatzmaterial

Der Verlag bietet auf seiner Internetseite nach Registrierung und Eingabe eines Codes das gesamte Heft auch als E-Book zum Download an. So kann man bei Bedarf auch Teile des Lernzirkels (insbesondere Vergleichs- und Rezeptionsdokumente) in Farbe ausdrucken, statt die schwarzweißen Kopiervorlagen der gedruckten Version zu benutzen.

Um die Schülerinnen und Schüler möglichst selbständig arbeiten lassen zu können, empfiehlt der Autor, wie oben schon angemerkt, an Station 6 Nachschlagewerke und wissenschaftliche Literatur wie eine Gesamtinterpretation der Amores auszulegen. Zusätzlich werden für manche Stationen Karteikarten, Computer mit Internetzugang, eine Digitalkamera, Overhead-Folien und weitere Zusatzmaterialien benötigt. Der organisatorische Aufwand ist also enorm, vor allem dann, wenn nicht alle Utensilien im Klassenzimmer gelagert werden können oder manches gar nicht verfügbar ist. Denn viele der Aufgaben lassen sich ohne diese Materialien nicht bearbeiten. Was also die Materialanforderungen der Aufgaben angeht, wäre weniger sicher mehr gewesen.

Umsetzung der Kompetenzorientierung und Binnendifferenzierung

Nachdem oben bereits die lerntheoretischen Ansätze des Lernzirkels ausgeführt wurden, soll nun darauf eingegangen werden, ob und an welcher Stelle diese Ideen auch umgesetzt werden.

Zunächst ist Binnendifferenzierung bei den Übersetzungstexten möglich: Je nach Selbsteinschätzung der Schülerinnen und Schüler können diese zwischen drei Texten wählen. Bezüglich der unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade der Texte bleibt anzumerken, dass nur die Zahl der Hilfen und Angaben variiert wird, sodass unterschiedlich leistungsstarke Schülerinnen und Schüler sinnvollerweise denselben Text behandeln können, ohne über- oder unterfordert zu sein – wenn man davon absieht, dass auch die Texte auf dem höchsten Schwierigkeitsniveau noch recht viele Angaben enthalten. Besonders anspruchsvolle Sätze sind darüber hinaus teilweise schon im Kommentar vorübersetzt. Wer trotz der vorhandenen Angaben noch Probleme mit dem Text hat, kann außerdem noch die Hilfe- und Kontrollstation heranziehen. Hier sollte darauf geachtet werden, dass die Schülerinnen und Schüler die Übersetzung trotzdem an der Station 2 erledigen und wirklich nur bei Bedarf Nachschlagewerke oder zusätzliche Vokabelangaben an der Station 6 heranziehen. Dort sollte auf jeden Fall nicht das eigentliche Übersetzen stattfinden.

Bei Interpretation und kreativer Umsetzung bietet der Lernzirkel ausreichend viele Wahlmöglichkeiten, auch wenn man auf einen bestimmten Text eingeschränkt ist. Je nach Interesse kann so der Schüler oder die Schülerin diejenige Aufgabe auswählen, die ihn oder sie am meisten anspricht. Trotzdem werden sämtliche Ergebnisse nach Abschluss der Arbeitsphase präsentiert, sodass die ganze Klasse davon profitiert. Auch unterschiedliche Sozialformen können ausgewählt werden, was wiederum differenzierend wirkt.

Auch Schülerinnen und Schüler mit sehr unterschiedlicher Arbeitsgeschwindigkeit bindet der Lernzirkel insofern gut ein, als er stets mehr Aufgaben bereitstellt als tatsächlich bearbeitet werden müssen. Die Arbeitsanweisung an den Stationen weist auch direkt darauf hin: „Bearbeite mindestens eine der folgenden Aufgaben.“ Gleichzeitig wird mit 10-12 Unterrichtsstunden ein Zeitraum vorgegeben, der auch für langsamere Schülerinnen und Schüler ausreicht, um das geforderte Pensum zu bearbeiten. Auch wenn der behandelte Textumfang eher gering ist, so bietet die doch recht lange Lernzirkelarbeit die wertvolle Gelegenheit, die behandelten Texte gänzlich zu durchdringen.

Auf dem Gebiet der Kompetenzorientierung stellt sich heraus, dass alle eingangs genannten Kompetenzbereiche tatsächlich ausgebaut werden können: Vor allem personale und Methodenkompetenzen werden durch das eigenständige Bearbeiten des Lernzirkels und den Umgang mit verschiedenen Nachschlagewerken bei der Recherche gefördert. Durch verschiedene Sozialformen und vor allem die Präsentation in der Gruppe können auch soziale Kompetenzen erworben werden. Kognitive Kompetenzen werden durch die sprachliche und inhaltliche Erschließung der Texte gefördert.

Trotz allem wäre es naiv zu glauben, dass durch einmalige Lernzirkelarbeit erstens sich die Kompetenzen der Schüler automatisch beträchtlich erweitern und dass zweitens diese den Lernenden vorher fremden Arbeitsformen problemlos angenommen werden und zum Beispiel der Umgang mit den Nachschlagewerken keine Schwierigkeiten bereitet. Auch vorliegender Lernzirkel KANN zwar zu einer Kompetenzerweiterung beitragen, garantiert sie aber nicht und bleibt ohne jede Wirkung, wenn der Gedanke der Kompetenzorientierung sich nicht auch sonst im Unterricht bemerkbar macht.

Umsetzbarkeit

Interessant ist bei einem solchen Lernkonzept natürlich auch die Frage, wie gut es sich im Unterricht umsetzen lässt. Auch wenn hier nur aus der theoretischen Perspektive argumentiert werden kann, soll auf diesen Punkt zuletzt noch eingegangen werden.

Zunächst ist das vorliegende Lernkonzept laut den Vorbemerkungen erst nach der Spracherwerbsphase vorgesehen und setzt erste Grunderfahrungen mit lateinischen Originaltexten voraus. Auch sollten grundlegende Techniken der Interpretation (z. B. Erstellen einer Gliederung, Erkennen sprachlich-stilistischer Mittel) bekannt sein, damit die Schülerinnen und Schüler die Aufgaben an Station 3 möglichst selbständig bearbeiten können. Damit die Lernzirkelarbeit gelingt, muss ihr also unbedingt eine Phase angeleiteter Lektüre von Originaltexten vorausgehen. Nach dem Lehrplan für das bayerische Gymnasium ist vorliegendes Konzept also frühestens in der neunten Klasse sinnvoll umsetzbar. Auch passen hier die Amores gut zur Lektüresequenz „Liebe, Laster, Leidenschaft“.

Daneben wird Offenheit der Schülerinnen und Schüler für neue Methoden, Arbeitsformen und Aufgabentypen verlangt. Dieser Punkt ist bei offenen Arbeitsformen durchaus nicht unerheblich. Sein ganzes Potential kann der Lernzirkel sicher nur dann ausschöpfen, wenn sich die Schülerinnen und Schüler voll und ganz darauf einlassen und kompetent bei ihrer Arbeit angeleitet und unterstützt werden. Je nach Klasse ist die Lernzirkelarbeit ansonsten möglicherweise schon von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Fazit

Als Fazit sollen abschließend kurz Potentiale und Schwächen des Lernzirkels zusammengefasst werden.

Leider ist der Textumfang etwas zu gering, wenn man bedenkt, dass mindestens 10 Unterrichtsstunden für den Lernzirkel vorgesehen sind. Über die reine Arbeitszeit hinaus muss genug Zeit für Einarbeitung bzw. Anleitung der Schülerinnen und Schüler im Voraus sowie für eine Evaluation im Nachhinein eingeplant werden. Außerdem enthalten die Texte sehr viele Angaben, was leider viel eigenständige Erschließungsarbeit vorwegnimmt.

Ein Nachteil ist auch die große Fülle an zusätzlichem Material, das in der Vorbereitungsphase organisiert werden muss. Das bedeutet einen hohen logistischen Aufwand, der deswegen notwendig ist, weil viele der Aufgaben ohne diese Materialien nicht bearbeitbar sind. Hier wären Alternativen sinnvoll gewesen, die mit weniger Material auskommen.

Ambivalent lässt sich die Tatsache beurteilen, dass das vorliegende Unterrichtskonzept einen sehr genauen Rahmen vorgibt. Einerseits hat man als Lehrkraft hier einen gut ausgearbeiteten Unterrichtsentwurf vor sich, der in sich stimmig ist und viele sinnvolle Ideen enthält. Andererseits schränkt das natürlich im Hinblick auf die eigene Gestaltung und persönliche Vorlieben etwas ein. Gegebenenfalls muss man als Lehrkraft einige der vorgegebenen Aufgabenstellungen an die speziellen Bedürfnisse der Klasse anpassen oder gar ganze Stationen weglassen bzw. anders konzipieren.

Andererseits bieten die vielen Materialien, die vertiefenden Fragestellungen, die weitgehend eigenständige Auseinandersetzung mit den Aufgaben und das Zeitpensum die Möglichkeit, sich mit Auszügen aus den Amores Ovids, der römischen Liebeselegie und deren Motiven intensiv zu beschäftigen. Übersetzung und Interpretation greifen sinnvoll ineinander und beziehen viel sehr gutes Vergleichsmaterial mit ein. Die Schülerinnen und Schüler werden gezwungen, ganz genau hinzuschauen, Sprache und Inhalt zu durchdringen und auf eigene Erfahrungen zu übertragen. Abgesehen von den obigen Schwächen kann die Lernzirkelarbeit also einen immensen Lernerfolg bewirken.

Trotzdem gilt: Auch dieses Unterrichtskonzept steht und fällt mit seiner Umsetzung durch die Lehrkraft. Es ist sicher nicht in jeder Klasse erfolgreich, wurde dafür aber gut durchdacht und hat insgesamt ein sehr hohes Potential.