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Rezension zu: "Römischer Staat und frühes Christentum"

Stefan Walberer, Besprechung von: Katharina Waack-Erdmann: Römischer Staat und frühes Christentum (Reihe: Antike und Gegenwart, Hrsg.: Maier, Friedrich.) Bamberg, 2011, 68 S.

Das von Katharina Waack-Erdmann erstellte Lektüreheft Römischer Staat und frühes Christentum wurde 2011 in der Reihe „Antike und Gegenwart“ von Friedrich Maier herausgegeben. Es behandelt die Entwicklung des frühen Christentums von einer verfolgten und geächteten bis zur vorherrschenden Religion im römischen Reich anhand ausgewählter Textauszüge, die aus dem ersten bis vierten Jahrhundert nach Christus stammen.

Aufbau

Nach dem Inhaltsverzeichnis gibt die Autorin in einem kurzen Vorwort auf S. 5 die Ziele der vorliegenden Ausgabe an: Sie wolle „die Auseinandersetzung zwischen dem sich entwickelnden Christentum und seiner ,heidnischen‘ Umwelt im römischen Staat beziehungsweise deren Umgang miteinander“ darstellen. Auch einen Gegenwartsbezug vieler Texte kündigt sie an: Es gehe auch darum, „Grundfragen unserer menschlichen Existenz und aktuelle Bezüge zu finden.“
Der Hauptteil der Textausgabe gliedert sich in folgende sieben Kapitel:

  • Die gute alte römische Religion
  • Christen unter Nero
  • Christen in der Provinz
  • Das Martyrium eines Christen
  • Römischer Götterglaube aus christlicher Sicht
  • Gottes Wirken aus christlicher Sicht
  • Ein gemeinsamer Himmel?

Jedes Kapitel behandelt ein bis zwei christliche Autoren oder Autoren, die sich mit Christen auseinandersetzen (wie z. B. Plinius in den Christenbriefen an Trajan). Es finden sich (in dieser Reihenfolge) Texte von Valerius Maximus, Sueton, Tacitus, Plinius d. J., Tertullian, Cyprian, Minucius Felix, Laktanz, Symmachus und Bischof Ambrosius von Mailand.

Am Ende des Heftchens befindet sich eine Liste derjenigen Vokabeln, die in den Texten mindestens zweimal vorkommen und nicht im Bamberger Wortschatz aufgeführt sind. Zusätzlich sind Wörter aufgenommen, die zwar nur an einer Textstelle stehen, jedoch mit anderen häufigen Wörtern verwandt sind. So können Vokabeln derselben Wortfamilie gleich im Zusammenhang gelernt werden. Leider ist der Wortschatz aber alphabetisch angelegt. Sinnvoller wäre es gewesen, die Vokabelliste nach Kapiteln zu unterteilen, was eine stärker fokussierte Vorbereitung auf die jeweiligen Textstellen ermöglichen würde.

Außerdem findet man im Anhang des Buches ein hilfreiches Verzeichnis wichtiger Eigennamen sowie eine Zeittafel (Kaiser Augustus 27 v. Chr. bis Kaiser Gratian 383 n. Chr.), die wichtige Ereignisse der jeweiligen Zeit enthält und auf die jeweils passenden Textausschnitte im Hauptteil der Ausgabe verweist. Wichtiges Grundwissen zum frühen Christentum wird anschließend leider nur in Form von deutschem Fließtext und ohne Illustrationen präsentiert. Auch die Position des wichtigen Grundwissens am Ende des Buches statt als Einführung ganz vorne ist zu bemängeln. Nach einem Verzeichnis weiterführender Literatur findet sich auf der letzten Seite eine hilfreiche farbige Europakarte zur Verbreitung des frühen Christentums.

Layout

Die optische Gestaltung der Ausgabe entspricht den Normen der Reihe und ist ansprechend und sehr übersichtlich. Das Heft enthält über vierzig farbige und gut eingebundene Abbildungen, welche die Texte und Aufgaben sinnvoll ergänzen und mit passenden Bildunterschriften versehen sind.

Überschriften sind durch andere Schriftarten und Schriftfarben hervorgehoben. Lateinische Texte sind mit der Sigle t gekennzeichnet, die Sigle i markiert kurze deutsche Informationstexte. An manchen Stellen finden sich auch in deutscher Übersetzung angegebene Texte, die mit der Sigle z markiert sind. Diese Siglen sind jeweils fortlaufend nummeriert, sodass in den Aufgabenstellungen und im Unterricht gut auf sie verwiesen werden kann. Die Sigle a steht außerdem für die Aufgabenteile, die jeweils direkt auf die lateinischen Texte folgen.

Inhalt und Textauswahl

Die Ausgabe präsentiert zunächst („Die gute alte römische Religion“) exemplarische Auszüge aus den Facta et dicta memorabilia von Valerius Maximus, die Aufschluss über die Haltung der Römer gegenüber ihrer eigenen Staatsreligion geben.

In Kapitel 2 („Christen unter Nero“) geht es dann um Kaiser Nero und die Anfänge der Christenverfolgungen. Hier sind Auszüge aus der Vita Neronis von Sueton und aus den Annales des Tacitus als Textquellen aufbereitet.

Das dritte Kapitel („Christen in der Provinz“) lässt erstmals einen Christen zu Wort kommen, nämlich Tertullian, der sich in seiner Schrift Apologeticum kritisch mit dem Vorgehen des römischen Staates bei der Verfolgung von Christen auseinandersetzt. Dieses Vorgehen bei Christenprozessen zeigen zuvor der Plinius-Brief 10,96 und Trajans Antwortbrief. Auf S. 21 wird die Frage nach der richtigen Behandlung Andersdenkender außerdem in den Aufgabenstellungen mit Artikel 3 und 4 des deutschen Grundgesetztes in Verbindung gebracht.

Als Beispiel für einen Christenprozess wird im folgenden Kapitel („Das Martyrium eines Christen“) ausführlich der Prozess gegen Cyprian anhand von Gerichtsprotokollen behandelt.

Ein Beispiel für die Auseinandersetzung eines Christen mit der römischen Staatsreligion liefern Auszüge des Dialogs Octavius des Apologeten Minucius Felix in Kapitel 5 („Römischer Götterglaube und Christentum“).

Nachdem bisher zunächst der Konflikt zwischen römischer Religion und Christentum im Zentrum stand, geht es im sechsten Kapitel („Gottes Wirken aus christlicher Sicht“) nun um das Verständnis der Christen von ihrem Gott und ihrem Glauben. Laktanz stellt im Rahmen der Textauszüge aus den Divinae institutiones seine Religion vor und beschreibt den christlichen Glauben. Auf S. 45 wird auch ein Auszug aus den Historiae des Tacitus in deutscher Übersetzung präsentiert und in den Interpretationsaufgaben behandelt.

Als Abschluss („Ein gemeinsamer Himmel?“) behandelt die Lektüreausgabe Texte aus dem vierten Jahrhundert, als das Christentum sich langsam aber sicher zur Staatsreligion entwickelte. Anregungen zur Auseinandersetzung mit den Ansichten von Hans Küng und Margot Käßmann und dem Schicksal des Theologen Dietrich Bonhoeffer im Nationalsozialismus runden das letzte Kapitel und auch das gesamte Büchlein mit Transferanregungen zur jüngeren Geschichte respektive zur Gegenwart schlüssig ab. Gerade die Aktualität der Texte von Symmachus und Bischof Ambrosius lässt sich dadurch erschließen und für die unterrichtliche Interpretation fruchtbar machen.

Nach dem aktuellen Lehrplan für das bayerische Gymnasium kann die vorliegende Lektüreausgabe schon in Jahrgangsstufe 9 in der Sequenz „Rom und Europa“ herangezogen werden. Da jedoch manche der behandelten Texte ein höheres Anspruchsniveau aufweisen, finde ich die Ausgabe vor allem für die Oberstufe interessant. Leider kommt in der elften und zwölften Klasse christliche Literatur laut Lehrplan nur als Zusatzmaterial infrage. Eine umfassende Behandlung der gesamten Ausgabe ist demnach eher unwahrscheinlich, was hinsichtlich des Gegenwartsbezugs der Thematik und der guten Umsetzung in der Ausgabe zu bedauern ist.

Aufbereitung der Übersetzungstexte

Am Beginn eines jeden Kapitels stehen kurze deutsche Einleitungen, die geschickt die vorangegangenen Texte mit dem neuen Kapitel verknüpfen. Darauf folgt meist direkt ein kurzer Informationstext zum Autor des folgenden Übersetzungsstücks. Längerer deutscher Fließtext wird aber meinst vermieden und kommt nur bei den mit z gekennzeichneten Hintergrundtexten gelegentlich vor (so etwa auf S. 54). Inhaltliche Vorentlastung der Übersetzungsstücke wird aber auch häufig durch Illustrationen geleistet, z. B. auf S. 49 durch ein Bild der römischen curia und eine hilfreiche Bildunterschrift.

Die lateinischen Texte sind mit einem fortlaufenden sub-linea-Kommentar versehen, der wenig benutzerfreundlich ist, weil bei der Übersetzung zwischen Text und Kommentar hin und her gesprungen werden muss. Auch sind die im Kommentar erläuterten Ausdrücke im Text nicht markiert, was unnötiges Suchen nach Erläuterungen zu Wörtern, die als bekannt vorausgesetzt werden, nach sich ziehen kann. Dafür ist zumindest im Kommentar stets der Ausdruck, der erläutert werden soll, fettgedruckt. Außerdem geben Zeilenangaben am Rand Aufschluss über die (ungefähre) Position der erläuterten Wörter im Text. Die Angaben des Kommentars sind inhaltlich jedoch sinnvoll und nehmen nicht zu viel vorweg. Oft beschränken sie sich auf Hinweise zur syntaktischen Struktur schwieriger oder ungewöhnlich gestellter Sätze. Dies kann das richtige Verständnis des Textes erheblich fördern und regt gleichzeitig zu eigenständiger Sinnerschließung an.

Interpretationsaufgaben

Auf die lateinischen Textauszüge folgen meist etwa drei Aufgabenstellungen, die oft auch Illustrationen, deutsche Informationstexte und vorangegangene lateinische Texte sinnvoll miteinbeziehen.

Inhaltlich regen die Aufgaben zu einer genaueren Untersuchung des Textes hinsichtlich der Struktur, der Argumentation und sprachlicher Charakteristika an. Oft werden auch die Haltungen verschiedener Autoren miteinander verglichen, was insbesondere bei Autoren unterschiedlicher Jahrhunderte zu interessanten Ergebnissen führt. Auch der im Vorwort versprochene Gegenwartsbezug wird meist gut hergestellt und die Schüler werden zur Auseinandersetzung mit der Frage „Quid ad nos?“ angeregt. Ein gutes Beispiel ist S. 41, wo der erst vor wenigen Jahren entbrannte „Kopftuchstreit“ und das ebenso aktuelle Thema religiöser Symbole an öffentlichen Orten angesprochen wird – lediglich die fünf Bilder religiöser Symbole im Alltag mögen etwas zu plakativ wirken.

Fazit

Wie bereits angeklungen halte ich diese Ausgabe – wenn man von kleineren formalen Kritikpunkten absieht – für sehr gut ausgearbeitet. Sie behandelt ein anspruchsvolles, aber doch höchst interessantes Thema und stellt geeignete Texte zusammen, die sich gut zur Gegenwart in Bezug setzen lassen und dank der Aufbereitung in der Ausgabe vor allem durch die Aktualität ihrer Fragestellungen bestechen. Auch ein roter Faden ist über die Kapitel hinweg zu beobachten: Von der Darstellung der römischen Religion ausgehend führt die Autorin hin zur Problematik der Anerkennung des Christentums in Rom – mit ihren schrecklichsten Seiten zur Zeit der Christenverfolgungen. Aus Sicht verschiedener Akteure beleuchtet sie die entstehenden Konflikte und legt stets besonderes Augenmerk auf die Aktualität der Texte. Das letzte Kapitel leitet über in die Zeit, als das Christentum nach und nach zur vorherrschenden Religion im römischen Reich geworden war. So präsentiert Sie der Schülerschaft ein abgerundetes und gut umgesetztes Gesamtkonzept.